Eine Familie erstickt im Müll

■ Veranstalter der Love Parade versprechen finanzielle Beteiligung bei der Beseitigung der 150 Tonnen Abfall im Tiergarten. Baustadtrat Horst Porath beziffert den Schaden auf 100.000 bis 200.000 Mark

Wo am Samstag 600.000 Raver und Touristen in Techno-Verzückung verfielen oder nur einfach ein neues Home-Video aufzeichnen wollten, zeigte gestern die Konsumgesellschaft ihr häßliches Gesicht. Große Teile des Tiergartens glichen einer Müllhalde. Doch hartgesottene Grillfans ließen es sich nicht nehmen und machten es sich zwischen Büchsen, Flaschen und Verpackungen bequem. Auch Touristen störten sich wenig am Uringeruch und bissen genußvoll in ihre Bratwürste.

Bilanz der bisher größten Love Parade unter dem Motto „We are one family“: 150 Tonnen Müll, 1.600 Erste-Hilfe-Einsätze, fünf leicht verletzte Raver, die von Straßenlaternen gestürzt waren. Die Polizei registrierte nur einen einzigen schweren Zwischenfall: Ein Raver war am Sonntag morgen im Drogenrausch auf ein Baugerüst in Mitte geklettert und hatte Eisenteile auf die Straße geworfen. Der 21jährige wurde festgenommen. Insgesamt wurden 34 Personen wegen Körperverletzung und Drogenbesitzes festgenommen.

Bis zum Mittag hatten die einhundert Mitarbeiter der Berliner Stadtreinigung die 2,5 Kilometer lange Strecke zwischen dem Großen Stern und dem Brandenburger Tor gereinigt. Enttäuscht zeigte sich Einsatzleiter Thomas Anders nur über die Abwesenheit des Grünflächenamtes Tiergarten. Immerhin habe man einen Teil der Reinigung des Parks übernommen. Eine Sonntagsbeschäftigung der ABM-Kräfte des Grünflächenamtes sei nicht möglich gewesen, so gestern das Bezirkamt Tiergarten.

Bei der gestrigen Abschlußpressekonferenz bezeichneten die Veranstalter der Love Parade „den vermüllten Tiergarten“ als „Wermutstropfen“ des ansonsten „peacigen“ Techno-Marsches. Nach Ansicht von Ralf Regitz, dem „Hirn der Organisation“, treffe den Veranstalter planet.com aber keine Schuld. Die Sponsoren hätten sich zu „extrem scharfen Umweltmaßnahmen“ wie Pfand auf Getränke verpflichtet. Schuld seien die vielen fliegenden Händler, die palettenweise Getränke verkauften. Für die nächste Love Parade versprach Regitz bessere Konzepte, „um diese Abzockerei zu unterbinden“. Außerdem werde man sich an den diesjährigen Reinigungskosten beteiligen – in welcher Höhe blieb offen.

Der Baustadtrat von Tiergarten, Horst Porath (SPD), war von dem Angebot überrascht. Noch am Mittwoch hätten die Veranstalter eine Kostenbeteiligung abgelehnt. Doch mit einer Teilunterstützung will er sich nicht zufriedengeben. Den Schaden bezifferte Porath auf „zwischen 100.000 und 200.000 Mark“. Es könne nicht sein, daß „Gewinne privatisiert und die Schäden der Allgemeinheit aufgelastet werden“. Nach den Haushaltskürzungen stünden dem Grünflächenamt in diesem Jahr nur 840.000 Mark zur Verfügung. Auch vom Senat, der die Love Parade als politische Demonstration genehmigt hat, fühlt sich Porath im Stich gelassen. „Wer A sagt, muß auch B sagen.“ Barbara Bollwahn