Teure Billigflagge

■ „Dimitrakis“ wird heute zwangsversteigert / Kommt der Frachter nach sechs Monaten Arrest in Bremen wieder in Fahrt?

Heute hat das Warten auf die Heuer ein Ende. Die „Dimitrakis“ wird im Amtsgericht zwangsversteigert. Nach sechs Monaten Zwangsurlaub in Bremen kommt die Besatzung des Frachters endlich zu ihrem Geld. Einer aber droht draufzuzahlen: der Hauptgläubiger des Schiffes, Elmar Pfeifer Junior aus Ehingen an der Donau.

Der hat sich mit seinem Engagement in Sachen Frachtschifferei bei der Partnerwahl grob vergriffen. Schon im Februar fiel der Frachter bei seiner Einfahrt in den Bremer Hafen der See-Berufsgenossenschaft auf: uralt, rostig, ein Seelenverkäufer. Versprochen hatte die zyperiotische Reederei Naya Navigation Company Limited aus Limassol und ihre griechische Betreiberfirma Commander Maritime Corporation dem im Frachtgeschäft unerfahrenen Pfeifer die schnelle Rendite mit der Billigflagge. Er steckte das Geld des väterlichen Elektrohandels in einen angeblich schmucken Stückgutfrachter.

Auch Kapitän Mohan Viswanath erwartete ein funktionsfähiges Schiff. Statt dessen wurde er mit seiner indischen Besatzung nach dem Transfer aus Bombay in Indonesien vor vollendete Tatsachen gestellt: die „Dimitrakis“ ist in Wirklichkeit das, was die See-Berufsgenossenschaft „substandard“ nennt. Mit Glück schaffte der Kahn zumindest die weite Reise bis nach Bremen.

Dort liegt das Schiff seit seiner Ankunft im Europahafen an der Arrestkette. Der Grund: erhebliche Sicherheitsmängel. Marode Rettungswesten und -boote, ein defektes Signalhorn – ein Horrorszenario. Für die indische Besatzung kam die Diagnose der See-Berufsgenossenschaft nicht überraschend. Korrodierte Kabel, Schäden an Kran, Anker, Gangway, Mängel bei der Unterkunft und im Laderaum – all das und mehr hatte der Kapitän auf einer achtseitigen Liste vermerkt und mehrfach an die Reederei geschickt.

Doch nachdem Pfeifers Geld im fernen Griechenland und der Frachter ausgelaufen war, ging die Betreibergesellschaft aus Piräus umgehend auf Tauchstation. Jetzt türmen sich die unbezahlten Rechnungen für Treibstoff und Reparaturen aus Shanghai, Hongkong und anderswo auf dem Tisch von Obergerichtsvollzieher Egon Bernhard. Besonders die Besatzung traf der Billigflaggen-Nepp hart, denn auch die Heuer wurde nicht gezahlt. Mittlerweile wartet man auf 140.000 Dollar – noch ein Grund für Bernhard, die Zwangsversteigerung anzusetzen.

Dabei, das weiß auch Kapitän Viswanath, war die Besatzung nur eine Randfigur im großen Spiel: „Das war von vorneherein Betrug. Die haben den Mann reingelegt und um das zu tun, haben sie uns reingelegt.“ Immerhin: Mit Hilfe der Internationalen Transportarbeiter Gewerkschaft (ITF) haben die Inder ihren Lohn eingeklagt. Daß diese Schuld und die Auslagen des Landes Bremen durch den Zwangsverkauf beglichen werden, ist so gut wie sicher.

Die Zeche zahlen muß Elmar Pfeifer. Der selbsterklärte Spezialist für Geldanlagen soll reichlich in die „Dimitrakis“ reingebuttert haben – drei bis vier Millionen Mark. Heute will er in Bremen retten, was zu retten ist. Ein gutes halbes Dutzend Parteien, unter anderem auch eine aus Griechenland, haben Interesse am Frachter angemeldet. Innerhalb der Besatzung und der ITF tippt man aber darauf, daß Pfeifer Junior alles auf eine Karte setzt und die „Dimitrakis“ kauft. So würde aus dem Hypothekengläubiger, der bei einem geschätzten Schrottwert von höchstens einer Million Mark beim Verkauf an eine Abwrackgesellschaft viel Geld abschreiben müßte, ein Eigner. Die Altschulden werden durch den Kaufpreis getilgt.

Ob sich der Kauf rentiert, ist dennoch fraglich. Nach Schätzung von Ali Memon von der ITF ist das Schiff „eine alte Dame, die laufend viel Make-Up braucht.“ Er glaubt, daß allein eine Millionen nötig wäre, um die „Dimitrakis“ so seetüchtig zu bekommen, daß sie den gestrengen Auflagen der See-Berufsgenossenschaft genügt. L.R.