Ein ganzes Leben aufs Verlieren gesetzt

■ Mit 6.000 Mark Strafe ist ein hartnäckiger Loser für die Bedrohung einer Richterin noch billig davongekommen

Die Staatsanwältin plädiert. Joachim K.'s Unterkiefer mahlt. Sein Blick bohrt sich in die Gegnerin, als sei die Frau in der schwarzen Robe der fleischgewordene Beweis für die Schlechtigkeit und Ungerechtigkeit der Welt, in Sonderheit der Justiz. Und genauso kommt es: 120 Tagessätze a 50 Mark soll er zahlen, fordert sie. Daß er versucht habe, eine Richterin zu nötigen, das sei ohne Zweifel erwiesen. Und daß sie keine Freiheitsstrafe fordere, das sei nur dem positiven Zeugnis seiner Bewährungshelferin zu verdanken.

Genauso urteilt der Richter: 6.000 Mark plus Prozeßkosten für den 28jährigen Bremer der nur mühsam den Deckel auf seinen kochenden Emotionen halten kann. „Und damit sind Sie noch gut bedient.“ K.'s Beine sind unter dem Stuhl verknotet: „Wenn es denn so ist, dann haben Sie recht“, sagt er. Wieder so einer der spärlichen Sätze, die K. sich in juristischem Feindesland abgerungen hat. Wieder so ein überflüssiger Satz, findet er, denn daß die Welt schlecht ist, das scheint felsenfest zu stehen. Was soll man da noch viele Worte machen. Schon daß er vor dem Gerichtssaal von zwei Justizbeamten durchsucht worden war, war schon Zumutung genug.

Es war schon ein einigermaßen kurioser Prozeß, der sich gestern im Bremer Amtsgericht abgespielt hat. Da saß ein Angeklagter, der Widerspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt hatte, einer, der argumentieren müßte, daß er von der Justiz ganz falsch behandelt worden ist, einer, der versuchen müßte, die Argumente der Gegenseite mit allen Mitteln zu entkräften. Einer, der seine Version vertritt. Doch tatsächlich saß da ein Angeklagter, der alles daranzusetzen schien, mit Pauken und Trompeten zu verlieren. Was ihm vorgeworfen wurde, „das streite ich ab. Sie haben jetzt eine Aussage, was werden Sie tun?“ fragte er den Richter. Zu mehr wolle er sich nicht äußern, weder zum angeblichen Tathergang noch zu seinen persönlichen Verhältnissen, schon gar nicht zu seinem Lebenslauf.

Der Amtsgerichtspräsident hatte Joachim K. wegen versuchter Nötigung einer Richterin angezeigt. K. soll Mitte Oktober letzten Jahres in das Amtszimmer der Richterin marschiert sein, die eine Zivilsache unter sich hatte, in der K. Beklagter war. Der soll bei einer Festnahme nach einer Amokfahrt so um sich getreten und geschlagen haben, daß dabei das Nasenbein eines Polizisten zu Bruch gegangen sein soll. K. hatte zwei andere Polizisten als Gegenzeugen benannt – und fand, daß das wohl ausreichen müsse. Die Richterin solle gefälligst den anberaumten Gerichtstermin absagen, „die anderen lügen nur“. Und sowieso wolle er nicht den verlangten Gebührenvorschuß bezahlen.

Sie habe lange ganz ruhig argumentiert, daß das alles ein ganz normaler Vorgang sei, erzählte die junge Richterin gestern im Zeugenstand. „Aber er erregte sich immer mehr, der wurde immer aggressiver.“ Bis er ihr dann gedroht habe. Daß er dann Schwierigkeiten beim Prozeß machen werde, habe er ihr entgegengeschleudert, „dann knallts hier aber!“ Und dann sei er abgerauscht.

Die Richterin hatte hernach einige schwere Tage. „Ich habe zuerst gar keine große Angst um mich gehabt, ich habe mir vorgestellt, daß der auch so auf die Zeugen losgeht.“ Aber dann habe sie doch zwei Tage nicht geschlafen. Schließlich sei sie zu der Zeit im fünften Monat schwanger gewesen. Die nächste Zeit habe sie sich immer in ihrem Dienstzimmer eingeschlossen. „Es war ja nicht klar, ob er nochmal wiederkommt.“ Und dann habe sie das Verfahren wege Befangenheit abgegeben.

Die Frau hatte immer noch Angst, als sie gestern im Gerichtssaal aussagte. „Und sie war früher Strafrichterin, das ist kein zartes Pflänzchen“, sagte der Richter bei der Urteilsbegründung. K. nahms mit seiner eigenen Mischung aus gedeckelter Wut und zur Schau gestellter Ignoranz.

Diebstahl, immer wieder Diebstahl, Urkundenfälschung, Fahren ohne Fahrerlaubnis, rücksichtsloses Fahren, fahrlässige Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte – die Liste der Vorstrafen beginnt 1983, da war K. 15 Jahre alt, und sie geht bis 1993. Gleich zwei Vorstrafen auf Bewährung hatte K. auf dem Buckel, als er der Richterin drohte. Erst Anfang 1995 war er vorzeitig aus der JVA Oslebshausen entlassen worden. „Für Sie steht einiges auf dem Spiel“, hatte der Richter ermahnt und immer wieder versucht, K. zum Reden zu bringen. Ohne Erfolg. „Müssen Sie selbst wissen, was Sie tun“ – mehr als solche Sätze waren K. beim besten Willen nicht zu entlocken. Daß er versucht habe, eine Richterin zu bedrohen, das wiege besonders schwer, sagte der Richter. „Das geht an die Grundfesten der unabhängigen Justiz.“ K: „Man macht sich nicht ins eigene Nest.“ Punktum. Es war wie aus der Anleitung zum Unglücklichsein. K. tat alles, die Schlechtigkeit der Justiz bestätigt zu bekommen. Er bekam seine Bestätigung. Daß er eine Umschulung macht, allein das hielt das Gericht davon ab, die Bewährung aufzuheben und K. wieder in den Bau zu schicken. Und die nächste Bestätigung für K. wird nicht lange auf sich warten lassen. Am Ende des Prozesses hat er angekündigt, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. J.G.