Wald zum Anfassen

■ Elchgeweihe zum Streicheln, Wildschwein, Bär und Fuchs lebensgroß – im Oldenburger Naturkundemuseum kann man dem Ökosystem Wald anschaulich auf die Schliche kommen

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ber den Köpfen der Besucher ertönt der Gesang von Waldvögeln; ein Elchgeweih mit mächtigen Schaufeln ist im Boden verankert, bequem für Kinderhände zu erreichen und zu befühlen. Schon beim Eintreten in die neueröffnete „Eine Welt - ein Wald“ Ausstellung im Naturkundemuseum in Oldenburg wird man durch ein neues Museums-Konzept überrascht. „Wir wollen unsere Exponate nicht mehr hinter Glas wegsperren, sondern sie sollen mit allen Sinnen erfaßt und begriffen werden“, erläutert Dr. Ulf Beichle, stellvertretender Direktor des Museums und Leiter der Naturkundeabteilung sein Konzept. Wo es, ohne unwiederbringliche Verluste zu riskieren, möglich war, wurde in den über 300 Quadratmetern Ausstellungsraum auf trennende Glaswände verzichtet.

Die versteinerte Rinde eines 300 Millionen Jahre alten Schuppenbaums lädt zum Betasten ein. Nicht weit davon entfernt liegen Stämme verschiedener heimischer Baumarten in einem Stapel auf dem Boden. Den richtigen Jägern im Wald - Habicht, Bussard, Marder - kann über das Gefieder oder den Pelz gestrichen werden. Von oben überschaut aus einer grünen Ecke ein ausgestopfter Orang Utan, dessen Name in seiner malaiischen Heimat „Waldmensch“ bedeutet, den Saal. Auch heimische Waldbewohner wie Bär, Wildschwein und Fuchsfamilie stehen lebensgroß und von allen Seiten zu betrachten in schützenden Glaskästen.

Die Ausstellung „Eine Welt – ein Wald“ thematisiert einen Lebensraum, der vor unserer Haustür liegt, ein kompliziertes Ökosystem, das sich in 350 Millionen Jahren entwickelt hat. Die Geschichte seiner Entstehung und die zahlreichen Veränderungen und Einschnitte sind in Text und Graphik auf Schauwänden dokumentiert. Klimaschwankungen und wechselvolle Erdgeschichte haben auf den Kontinenten unterschiedliche Waldsysteme entstehen lassen. Die Ausstellung macht deutlich, daß die verschiedenen Waldökosysteme – hier der Hasbruch, dort der tropische Regenwald der Seychellen – eng miteinander vernetzt sind. Die ausgestellten Tiere und Pflanzen unterliegen denselben Gesetzen und gehören zum „Globalen Netzwerk Wald“. Sie alle sind durch die Ausbeutung und Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen bedroht. Ein mittelalterlicher Wendepflug, der Waldboden zu Ackerland pflügte und Fotos von kahlgeschlagenen erodierten Böden aus der ganzen Welt dokumentieren den Zerstörungswillen unserer Zivilisation.

Anschaulich erklärt ein Modell mit farbigen Kugeln die Entstehung von saurem Regen. Wie sich die Abgase, die täglich in die Atmosphäre aufsteigen, in Schwefelsäure, Salpetersäure und Ozon umwandeln. Das Vogelgezwitscher aus dem Lautsprecher unterstreicht den drohenden Verlust von Lebensvielfalt, der mit der Zerstörung einhergeht.

Zum ersten Mal wurde im Naturkundemuseum eine Dauerausstellung komplett selbst erstellt. Sämtliche Exponate, über 100 Pflanzen- und Tierarten, stammen aus eigenen Beständen. Nur weil das Museum seit Jahren über eine Waldausstellung verfügte und dazu auf der ganzen Welt die Stücke bereits zusammengekauft hatte, sei eine Neugestaltung der Ausstellung möglich gewesen, sagt Mamoun Fansa, Direktor des Naturkundemuseums. Sonja Schindler

Staatliches Museum für Naturkunde und Vorgeschichte, Damm 40-44, Oldenburg, bis 9. September