Magische Orte
: Arme und Beine fallen ab

■ Romantisch gibt sich der alte Klosterhof im Glienicker Park

Ob Prinz Carl von Preußen an Geister geglaubt hat, steht nicht in meinem Reiseführer, aber daß er sich nachts in den Klosterhof, den er sich in seinem Glienicker Park gebaut hat, getraut hat, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Bereits in dem kleinen Vorhof geben große, alte Bäume ein dunkles, schattiges Licht, ein steinerner geflügelter Löwe thront auf einer Säule, und in einer Nische ist eine zerfallende Figur von einem Affen mit einem häßlichen Menschengesicht, der von einem Adlerkopf an der Kette gehalten wird.

Der eigentliche Klosterhof ist mit einer dunklen eisernen Gittertüre verschlossen. Als ich hindurchgucke, sehe ich genau in das haßverzerrte Gesicht einer Mischung aus Weihnachtsengel und Schwergewichtsringer, die einen verzierten Sarg mit bunten Marmorornamenten auf den Schultern trägt, und als ich an der Seite die nächste finster blickende Statue sehe, die mit entschlossenem Blick, langen zerzausten Haaren und einer Wahrsagekugel in der Hand in jedem Fantasy-Film die perfekte Besetzung für den bösen Zauberer dargestellt hätte, finde ich, daß Prinz Carl ein bißchen dick aufgetragen hat. Immer mehr Details faszinieren mich, bringen mich zum Lächeln. So sehe ich, das ich beim Eintreten über wundersame, in den Boden eingelassene Zeichen laufen mußte, um in den Vorraum des Klosterhofes zu gelangen, bewundere ich die Säulen, die jede in einer anderen farbigen Marmorart hergestellt sind, und die schwer zu entziffernden Tafeln an den Wänden. Schließlich lasse ich mich am Fuße eines alten Baumes nieder, dessen verschlungene Wurzeln den ganzen Boden bedecken und im Licht der Sonne faszinierende Bilder werfen. Mal wie dünne Spinnenfinger, die sich verzweifelt an altem Gemäuer festkrallen, mal wie ein dicker runder Körper, in dessen Schatten kleine Pflänzchen sprießen, strahlt der große alte Baum so viel Macht aus, daß mir Statuen und Marmorsäulen wie Verzierungen zur Huldigung des Baumes vorkommen.

Da erfaßt mich der Zauber des Ortes, und ich erinnere mich an alte Geschichten, in denen ganze Städte mitten in der Bewegung zu Stein erstarrt sind. Sieht nicht der geflügelte Löwe aus, als wäre er gerade auf dem Abflug? Der arme Ringkämpfer mit seinem verzerrten Gesicht, wäre er ein paar Sekunden später versteinert worden, hätte er den Sarg bestimmt fallenlassen.

Nur der alte Baum wächst, und ich lehne mich an seinen Stamm und genieße die Sonnenstrahlen in meinem Gesicht, träge öffne ich die Augen und fühle ein tiefes Grausen über den kalten steinernen Körper des Vogelaffen, der starr in meine Richtung blickt, während ihm langsam Arme und Beine abfallen. Doch da tritt schon eine Gruppe Ausflügler erfreut über den Schatten an einem Sommertag in den Klosterhof und mir fällt auf, daß neben dem Vogelgezwitscher das Geräusch der nahen Straße nicht zu überhören war. Anna Klamroth