Aszendent Blinddarm Von Barbara Häusler

Die einen müssen dafür extra skifahren, die anderen bloß einkaufen. Ich gehöre zu letzteren. Mit vollem Selterkasten einen Schritt über die Ladenschwelle – und autsch, umgeknickt. Ich habe den Kasten noch ordnungsgemäß abgestellt. Und mein in Schmerzfällen übliches „Mami! Mami!“ geistesgegenwärtig durch ein öffentlichkeitsadäquateres „Au weia!“ ersetzt. „Bänder- und Kapselriß, Sofa, kein Gips“, lautete das Urteil der Röntgenärztin, bevor sie mir schicke rote Krücken (mit Rücklichtern!) in die Hand drückte.

Sitzen Sie mal den ganzen Tag auf dem Sofa. Alles jenseits der Größe einer Streichholzschachtel muß man in einem Kindergartentäschchen um den Hals transportieren, und wie, bitteschön, kommt man einbeinig aus dieser verdammten Badewanne? Nach zwei Wochen entschied ich, daß meine Heilung jetzt abgeschlossen sein sollte. Was weiß schon so ein internistischer Hausarzt. Vier Wochen, pah! Da muß ein Spezialist ran.

Die orthopädische Gemeinschaftspraxis erwies sich als EDV- gesteuerte Fabrik. Sehr gut. „Auf was für einem Weg sind Sie denn da gestolpert?“ fragte der doppelte Doktor nach kurzem Blick auf meine drei erwähnenswerten Vorerkrankungen auf dem Bildschirm. „Also, mit einem Selterkasten...“ Das habe er nicht gemeint. Mein Sternzeichen, bitte. Waage? Das passe. Zum Blinddarm und zur Nierenbeckenentzündung. „Sie sind gestolpert. Sie bluten gern nach innen. Sie sollten sich mal fragen, auf welchem Weg als Frau Sie sind.“ Ich hätte ja gedacht, umgeknickt zu sein, und wollte einfach wissen, was man da... und wie lange das noch... Der Doppeldoktor wurde sauer. „Dann machen wir eben orthopädischen Hokuspokus. Und rennen Sie jetzt bloß nicht gleich zur Ärztekammer. Davon habe ich genug“. Ich hatte auch genug. Da hat man einen Klumpfuß, und dann soll man auch noch den schuldhaften Sinn dieses Schicksals begrübeln. Und alles nur, weil der Blinddarm so gut zum Sternzeichen paßt.

Kommentarlos wechselte ich zu seinem Praxiskollegen. Der machte einen schönen Ultraschall, erklärte mir endlich den Bänderriß und befreite mich von der Vorstellung, es handle sich dabei um so etwas wie ein kaputtes Unterhosengummi, dessen lose Enden doch nie im Leben von alleine wieder zusammenfinden. Aber sieben Wochen und drei Tuben Abschwellsalbe später ging noch immer nichts. Mein Neuer murmelte etwas von „traumatischer Verklebung“ und verließ den Raum. Statt mit einer anständigen Spritze kam er mit dem Guru zurück. Der packte meinen großen Zeh und pendelte (!) den kaputten Fuß hin und her. Ich war zu schwach für Widerstand. Gerade als es anfing, sich doch recht heilsam anzufühlen, packte er zu und drehte meinem Fuß den Kragen herum. Ich brüllte, und der Guru sprach: „Stehe auf und wandle.“ Und ich stand auf. Und wandelte leicht beschämt nach Hause.

Die Krankengymnastin, zu der sie mich geschickt haben, hat mich dann erfolgreich humpelfrei gemacht. Die hielt meinen Fuß oft einfach nur fest. Mit geschlossenen Augen. In diesen Momenten habe ich stur auf die Medizinbälle und die Sprossenwand gekuckt. Das beruhigte. Ich wußte, meine Krankengymnastin hat's auch mit Sternzeichen und Blinddärmen. Aber sie redet nicht darüber.