Mode der Taugenichtse

Schrill, peinlich, Slacker: Durchs modische Karo-Viertel flanierten  ■ Claude Jansen (Text) und Iris Bülow (Fotos)

Beim sonnigen Bummel durchs Hamburger Karo-Viertel kriegt man schnell gute Laune, so schrill, so quietschig-kitschig kommen die Schaufenster der kleinen Modelädchen daher. Plastikschmuck, wilde Farbkombies, Spielzeug aus Hong Kong, Tetra-Pak-Designer-Taschen und Tausende von kleinen Badeutensilien aus den fünfziger Jahren erfreuen Auge und Herz der flanierenden Szeneschnüffler.

Das Spiel der Mode zu durchschauen ist ja mitunter eine schwierige Angelegenheit. Das Ganze ist irgendein komisches Konstrukt so unterschiedlicher Faktoren wie Modezeitschriften, Werbung oder Musikvideos – oder auch ganz persönlicher Vorlieben für Filmstars wie Uma Thurman in „Pulp Fiction“ oder Uschi Glas in „Zur Sache Schätzchen“.

Manchmal allerdings liegen die Ursprünge der von namhaften DesignerInnen zu kommerziellen Zwecken entworfenen Stücke auf der Hand – beziehungsweise in den Subkulturen angesagter Metropolen wie London und New York. Ein Gang durchs Karo-Viertel macht den schnellen Wandel von Subkultur zum kommerziellen Trend deutlich.

Als vor einiger Zeit, zuerst in England und Amerika, etwas später dann in Deutschland, die Jugendlichen der sogenannten Generation X in allen Medien auftauchten, etablierte sich auch das Wort „Slacker“. Diese – übersetzt etwa: „Tunichtgute“, „Drückeberger“ oder „Faulenzer“ der späten Achtziger opponierten mit Begeisterung gegen die konsumbesessenen, markt- und labelorientierten Yuppies. Mit großem Spaß boykottieren sie bürgerliche Lebensformen, besonders verpönt: die geregelte Arbeit.

Cooles Lebensgefühl muß sichtbar gemacht werden, Kleidungscodes wurden entwickelt, Billig-Klamotten zum zeitgemäßen Identifikationsmodus stilisiert. Denn Slacker nehmen sich selbst nicht so ernst – oder tun zumindest so. „Drückeberger“ und „Faulenzerin“ tragen bevorzugt „schlechte“ Kleidung, offensichtlich von minderer Qualität, gefallen sich in schmerzerzeugenden Farb- und Musterkombinationen, pflegen zottelige, gerne auch angefettete Haare und schmücken sich mit Brillen, die einen besonders doof aussehen lassen.

Zu diesem Zweck eignen sich natürlich die Kleidungsstücke der sechziger und siebziger Jahre hervorragend, denn sie sind schrill und peinlich und dazu noch leicht zu haben. Flohmärkte, Schnäppchen- und Second-Hand-Läden sind das bevorzugte Jagdgebiet der „echten“ Slacker, zu denen sich unbedingt die wahren Freunde des Hamburger „Golden Pudels Club“ zählen.

Wer keine Lust auf die Qualen des Wühlens in stinkigen Klamottenhaufen hat, kann immer noch zum „Szene-Slacker“ werden. Im Karo-Viertel wird das leicht gemacht, denn dort hängen die Flohmarkt-Klamotten bereits liebevoll ausgewählt auf Kleiderstangen und werden mit selbstentworfenen Kleidern und eigenwilligen Accessoires – unwiderstehlich die Plastikhandtasche mit dem Jesus-Bild – kombiniert.

Wer hier einkauft, hat noch das Gefühl, ein Teil der Subkultur zu sein, muß jedoch etwas mehr Geld ausgeben als der „echte“ Slacker. Doch was ist schon „echt“? Wichtig ist: Wer hip sein möchte, sieht arm aus, muß es aber nicht sein.