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Ich bin der Meinung, daß in der Vergangenheit in Deutschland zu viel und zu laut geklagt wurde. Und deswegen werden die Klagen jetzt nicht mehr als der Hilferuf verstanden, der sie sind. Denn es hat in der Vergangenheit durchaus die Möglichkeit zum Sparen gegeben, aber da die deutschen Theater nicht betriebswirtschaftlich denken mußten, wurde zuviel Geld bedenkenlos ausgegeben. Jetzt aber, nachdem bereits Millionenbeträge eingespart worden sind, haben die Staatstheater in Hamburg ihre Grenze erreicht. Mehr zu sparen geht nicht ohne Strukturreform, sonst gehen die Häuser hier kaputt.

Es ist schon jetzt so, daß durch die enormen Sparanstrengungen an der Hamburg Oper wichtige Positionen unbesetzt sind. Es gibt keinen Werkstattleiter mehr, die Stelle des Beleuchtungschefs ist vakant. Es wurde Personal eingespart, wo es ging, aber man hat ja auch eine Verantwortung für die Zukunft dieses Hauses, die einem hier Einhalt gebietet. Was wir jetzt noch sparen können, sind Peanuts, denn an die großen Personalbereiche kommen wir nicht heran, wegen Unkündbarkeit. Hier ist die Kulturpolitik gefragt, denn ein einzelnes Haus kann das bestehende Tarif- und Vertragssystem nicht abändern.

Natürlich kann man auch noch betriebsintern rationalisieren, aber dieses Haus hat einen bestimmten kulturellen Auftrag und ist zudem in einem sehr schlechten technischen Zustand. Beides zusammengenommen, plus die arbeitsrechtliche Situation, macht es unmöglich, eine betriebliche Umorganisation von heute auf morgen zu leisten. Das sind vernünftige mittelfristige Projekte, die aber unter einem unmittelbaren Sparzwang nur zur Katastrophe führen können.

Folglich kann man nur an zwei Punkten die Finanzsituation verbessern, um die Sparquote zu erbringen: auf dem Produktionssektor und auf dem Einnahmesektor. Im Produktionsbereich habe ich sehr harte Gagenverhandlungen geführt, aber der hier erzielte Rückgang summiert sich nicht auf die Beträge, die die Oper wieder einsparen muß. Ich kann das Orchester nicht weiter zurückfahren, denn es sind schon acht Stellen dort unbesetzt und durch das starre Dienstsystem muß ich eine gewisse Größe erhalten.

Man kann die Zahl der Premieren reduzieren und die alten Gassenhauer ins Programm hieven wie La Traviata oder Hänsel und Gretel. Aber dadurch sägt man sich den Ast ab, auf dem man sitzt, denn man verliert die kulturpolitische Rechtfertigung, die Oper in der bisherigen Form zu erhalten. Das Ziel muß vielmehr sein, mehr Premieren zu machen, und dabei zu sparen. Das bringt zwar quantitativ keine Quote, aber man kann mehr Produktionen machen, um so die allgemeine Attraktivität des Hauses zu erhöhen.

Das benötigt aber eine lange Vorplanzeit und eine mittelfristige Finanzplanung mit verläßlichen Größen. Denn Verträge werden in der Oper weit vorrausschauend geschlossen und die Abschlüsse, die ich nach Ansage der Kulturbehörde vor zwei Jahren getätigt habe, kann ich nicht einfach rückgängig machen, wenn die Oper von heute auf morgen wieder 1,7 Millionen Mark einsparen soll.

Einsparmöglichkeiten gibt es sicherlich noch bei der Umsetzung von Regiekonzepten. Aber auch das bedeutet nur, daß man durch die frei werdenen Kapazitäten – weil die Stellen dadurch nicht weniger werden – mehr Neuproduktionen manchen kann, was auch unbedingt sinnvoll ist. In der ersten Spielzeit werden es sechs sein plus zwei Ballett-Produktionen, aber die für 1997 hinzugekommenen 1,7 Millionen Mark Sparquote machen es mir unmöglich zu sagen, daß das auch in der zweiten Spielzeit zu schaffen ist. Bei dem Pensum, daß die Oper an Aufführungen erledigen muß, die auch möglichst noch ausverkauft sein sollen, sind sechs Premieren pro Jahr eigentlich schon Minimum.

Vor diesem Hintergrund nützt es mir wenig, wenn mir Politiker dann sagen, Zitat: „Seien sie mal kreativ, kucken Sie doch mal in die Ecken.“ Denn das ist das Wenigste, was jeder Geschäftsführer in Krisenzeiten macht. Aber auch das hat seine Grenzen. Und diese Grenze ist erreicht, wenn man die alte Qualität erhalten oder sogar noch steigern soll, das Einnahmesoll erhöht wird, aber der Betrieb dann mit kurzfristigen Einsparungen in Millionenhöhe belastet wird, für die es keinerlei Konzepte gibt, wie man sie umsetzen soll.

Man muß auch immer bedenken, daß es an der Oper nicht nur die drei großen Gruppen Chor, Orchester und Hauspersonal gibt, die es zu koordinieren gilt, sondern, daß Sängerinnen und Sängern physische Grenzen gesetzt sind. Ich kann diese nicht wie einen Schauspieler jeden Abend auf die Bühne schicken, das macht die Stimme nicht mit. Deswegen kann die Oper auch nicht en bloc spielen, wenn man nicht drei Besetzungen verpflichten möchte, wodurch wiederum horrende Kosten entstehen.

Deswegen bin ich der Meinung, daß die Kulturpolitik einmal offensiv sagen muß, wie sie sich die Zukunft der Oper vorstellt, anstatt immer nur aus der Defensive heraus Sparquoten zu verteilen – gewürzt mit guten Ratschlägen wie „Machen sie doch wieder Ensemble-Theater!“ Bei Eintrittspreisen bis zu 260 Mark fühle ich mich doch sehr unwohl, Ensembletheater ohne große Stimmen anzubieten. Mal abgesehen davon, daß man keine Sänger und Sängerinnen für die tragenden Rollen finden würde, die sich fest an ein Haus verpflichten lassen.

Dann gibt es den guten Ratschlag, mehr zu spielen. Doch das würde vorraussetzen, daß das Haus in einer technisch besseren Verfassung wäre, daß wir vernünftige Proberäume und eine Hinterbühne sowie ein funktionierendes Transportsystem hätten. All das gibt es hier nicht und auch keinerlei Investitionsmittel, um das zu ändern.

Was wir tatsächlich dringend benötigen, um das ganze jetzige System auf Dauer effizienter und kostensparender zu machen, ist zum einen eine mittelfristige Finanzplanung über fünf Jahre. Diese funktioniert in Städten wie Köln mit Erfolg, aber Hamburg weigert sich konsequent, diese einzuführen. Dabei können nur so Millioneneinsparungen vernünftig und ohne zu großen Qualitätsverlust abgetragen werden. Und zum anderen ein innerbetriebliches System, das mehr Flexibilität zuläßt. Denn das jetzige ist bis zum Unsinn starr und reglementiert.

Beides sind Entscheidungen, die von der Politik gefällt werden müßten. Doch statt den Theatern eine durchdachte Perspektive und Planungssicherheit zu geben, beschließen Politiker, die überhaupt nicht wissen, wie wir hier arbeiten, kurzfristige Sparlösungen.

So wie es jetzt läuft, bedeutet dieser Zustand, daß ich sehr bald dem Aufsichtsrat einen defizitären Haushalt vorlegen muß, und dann müssen die entscheiden, ob die Stadt die Kosten nicht doch übernehmen soll, oder ob sie an der Hamburg Oper einen kommerziellen Spielbetrieb installieren wollen, für den ich dann nicht mehr zur Verfügung stehe. Das meine ich nicht als Drohung, aber wenn man von uns wirtschaftlich verantwortlungsvolles Handeln verlangt, dann muß man auch die politischen Voraussetzungen schaffen, daß dies möglich wird.