Wäre Zimperlichkeit nicht opportun gewesen ?

■ Prozeß: Öl-Konzern Shell will satirische „Hell“-T-Shirts vom Markt klagen

Irgendwo, sagt die Deutsche Shell AG mit Sitz in Hamburg, hört der Spaß auf. Spätestens dann, wenn der Vorstand des Öl-Multis satirische T-Shirts der Kölner Firma Abgang! Agentur für Kommunikation nicht versteht. Diese – so ist fairerweise anzumerken – sind nicht als solche gekennzeichnet. Und so kommt es, daß der Öl-Konzern das gelbe T-Shirt des Kölner Medienkünstlers Paul Kalkbrenner mit einer roten und zu einem Totenkopf verfremdeten Shell-Muschel vom Markt verbannen will.

Kalkbrenner hatte das T-Shirt im Sommer 1995 auf dem Höhepunkt der Kampagne gegen die geplante Versenkung der Shell-Bohrinsel Brent Spar als „Meinungsäußerung wegen verschiedener durch Shell verursachte Umweltskandale“ kreiert und 1000fach verkauft. „Eine Verunglimpfung des Firmenzeichens und der Firma“ sei das, begründete Shell-Anwalt Ulrich Külper gestern vor dem Landgericht Hamburg, weshalb der Öl-Multi Ende August per einstweiliger Verfügung „Vertrieb und Bewerbung“ des Kleidungsstücks untersagen ließ.

Daß er damit erstens dem Künstler die Meinungsfreiheit abspreche und zweitens für einen Dringlichkeitsantrag viel zu spät vor Gericht ziehe – das T-Shirt existiert seit eineinhalb Jahren – will der Leiter der Shell-Rechtsabteilung, Gerhard Steiner, nicht erkennen: „Wir wußten bis vor kurzem nicht, daß es das T-Shirt gab.“ Künstler-Anwalt Ulrich Wollenteit hingegen präsentiert eine ganze Zeitungs-Ausschnittssammlung aus dem Sommer 1995 von Bild über Kuschel-Rock bis Titanic, in denen der umstrittene Stoff mit Firmenangabe entweder als Anzeige oder als Artikel erschien. Die taz gar verloste das T-Shirt per Preisausschreiben.

„Ja“, fragt Richter Axel Gärtner, „gibt es denn in einem so großen Unternehmen wie dem Ihren keine Presseabteilung?“ Doch doch, versichern die Shell-Vertreter. Aber bei der „Flut“ von Berichten... „Oder“, bohrt der Richter weiter, „könnte es sein, daß es damals firmenpolitisch nicht opportun gewesen wäre, sich zimperlich zu zeigen?“

Die Entscheidung wird morgen verkündet. Bleibt es bei dem einstweiligen Vertriebs-Verbot, wird Kalkbrenner vor das Oberlandesgericht ziehen. Denn, erklärte er in schönstem Kölsch, „dat is'n Unding“. Heike Haarhoff