Filmfest Hamburg
: Lattentreffer

■ Auch eine neue Dokumentation über den FC St. Pauli lief auf dem Filmfest

Totenköpfe über Totenköpfe, das ganze Millerntor ist ein einziges Schädelmeer. Die Anhänger von „Deutschlands ungewöhnlichstem Bundesliga-Verein“, wie Regisseur Peter Ritterhoff flink herbeiklischeeisiert, schwenken das Freibeuter-Banner, solange, bis ihre tätowierten Arme ermatten. Ja, so ist das Fan-Leben beim FC St. Pauli: wild und gefährlich. Viel Bier wird auch getrunken, denn die „Underdogs“ sind immer durstig, weil sie ständig durch die Gegend hecheln.

Das härteste „Tier“ aber steht im Tor (sofern es nicht verletzt ist) und heißt Klaus Thomforde. Das ist nichts Neues, aber wer weiß schon, daß Manuela, die Ehefrau des „Power-Keepers“, schon immer „viele Kläuse“ haben wollte. Darum heißen die Söhne des „zornigen Magiers“ auch Maximilian-Klaus, Malcolm-Klaus und Mortimer-Klaus.

Insider-Informationen dieses Kalibers lassen sich etliche in der fast 80minütigen Dokumentation FC St. Pauli: Der Kampf um die Bundesliga – Das Abenteuer geht weiter finden, die am Sonntag zwischen vielen Spielfilmen auf dem Filmfest präsentiert wurde. Sie machen das Nachfolgewerk zu Der Film zum Aufstieg so wertvoll, wie auch die Auskunft, daß im Böklunder Werk des Hauptsponsors „die einzige und modernste vollautomatische Anlage zur Produktion von Würsten in Naturdärmen“ steht. Es geht für St. Pauli also stets um die Wurst, auf die Jens Scharping „ganz spitz ist“, wie Gerdl, der Stürmer freimütig bekennt, derweil er seiner Freundin an der Schulter schubbert.

Bedauerlicherweise erhalten wir jedoch viel zu selten Einblick in den inner circle des Vereins, der „modernen Fußball mit Herz“ spielt. Statt dessen müssen wir uns allzu oft en detail vorexerzieren lassen, „wie der Sack zugemacht“ wird und deshalb „die Sache gelaufen“ ist oder was Ritterhoff sonst noch für die „Highlights“ der vergangenen Saison hält.

Auch an „spontanen Trinkfesten“ dürfen wir teilhaben – Motto: „Peace und Saufen“. In solchen Momenten läßt Autor Ritterhoff die Bilder für sich sprechen und läßt – ganz Oberstufengruppen-Doku-AG – einfach draufhalten: Drei Minuten Dosenbier und leere Männer-Gläser am Stück, das bringt Punkte auf dem Authentizitäts-Konto. Irgendwann bemerkt Präsident Heinz Weisener ganz nüchtern: „Es ist das Gefühl, daß es Sinn macht, was man tut.“ Genau, und die Metapher klatscht gegen die Latte. Goile Paadie.

Clemens Gerlach