Dann wäre der Zug abgefahren

Stadtbahn, S-Bahn oder die Doppelnull-Lösung: Senat vor der Entscheidung  ■ Von Florian Marten

Eigentlich wollte der Senat schon im September eine Entscheidungsvorlage der Baubehörde, jetzt dürfte es doch später werden. Aber: Noch 1996, so sind Voscherau & Co fest entschlossen, soll die endgültige Entscheidung über die Wiedereinführung der Stadtbahn in Hamburg fallen. Spätestens bei der Verabschiedung des 97er Stadthaushaltes im Dezember müssen die Weichen gestellt sein.

Drei Alternativen stehen zur Wahl: 1.: Die Stadt baut für 500 Millionen Mark eine S-Bahn-Stichstrecke Ohlsdorf-Flughafen. 2.: Die Stadt steigt in den Aufbau eines Stadtbahn-Netzes für 922 Millionen Mark ein, wobei als erste Strecke auch eine Linie Hauptbahnhof-Flughafen denkbar wäre. 3., so die von Finanzsenator Ortwin Runde bevorzugte 00-Variante: Die Stadt baut garnix.

Kommt es zu der von der Flughafen GmbH, Handelskammer und Henning Voscherau geforderten Variante 1, dann wäre, so schimpft der grüne Verkehrs-Schattensenator Martin Schmidt, „der Zug für die Straßenbahn wohl auf viele Jahre abgefahren“. Um dies zu verhindern, versuchen die Jungs der Verkehrsabteilung der Baubehörde derzeit in Bonn herauszufinden, ob die von Bonn für die S-Bahn bereits zugesagten Mittel auch auf die Stadtbahn umgelenkt werden können.

Die Chancen stehen gut. Und da auch Eugen Wagners Baubehörde mittlerweile ins Straßenbahnlager übergelaufen ist, könnte es zu einer spannenden Senatsvorlage kommen: Soll Hamburg sich einen S-Bahn-Stummel leisten, der den meisten Fluggästen ein nerviges Umsteigen zumutet, weil nur ein Teil der neuen S-Bahnen direkt vom Hauptbahnhof in 23 Minuten durchfährt? Oder soll sich die Stadt für diese Summe satte 20 Straßenbahnkilometer anlachen, inklusive einer immerhin 28minütigen Direktverbindung vom Hauptbahnhof zum Terminal?

Damit hätte die Stadt nicht nur die überfällige ÖPNV-Anbindung des Flughafens, sondern gleichzeitig das neben dem Fahrrad zukunftsträchtigste Stadtverkehrsmittel eingeführt. Die Stadtbahn, die derzeit in vielen hundert Städten der Welt, egal ob Amman oder Los Angeles, München oder Montepellier, Straßburg oder Saarbrücken eine stürmische Renaissance erlebt, würde zudem, so ergab eine eigene Untersuchung, die Flughafenbenutzer weit besser zum Rollfeld führen als die S-Bahn.

Weil denen, die an der S-Bahn vor allem festhalten, weil sie sie für peppiger halten, die Sachargumente auszugehen drohen, besorgte sich die Flughafen GmbH ein Gutachten über eine „private Finanzierung“ des Flughafens. Ob dies eine ernstgemeinte Variante ist? Flughafenchef Werner Hauschild versteckt das Papier, selbst der Senat bekam es bislang nicht zu Gesicht. Hauschild gewunden: „Wenn der Senat Einblick möchte, stellen wir es selbstverständlich zur Verfügung.“

Martin Schmidt, der den Glauben an einen rot-grünen Senat im Jahr 1997 noch nicht ganz aufgegeben hat, versucht es mit handfesten Argumenten: „Das Geld zur Finanzierung der Stadtbahn ist da.“ Schmidt verrät auch, wo es zu finden ist: 100 Millionen Mark hat er in einem ganz besonderen Sparstrumpf des Senats gefunden. Es handelt sich dabei um angesammelte Mittel aus der Stellplatzabgabe (Ablösezahlungen für nicht gebaute PKW-Stellplätze), ein jährlich um 20 Millionen wachsender Topf. Der Clou: Dieses Geld darf ausdrücklich für Nahverkehrsinvestitionen ausgegeben werden.

Desweiteren will Schmidt die steigenden Bundeszuschüsse für den Nahverkehr in Hamburg in die Stadtbahn fließen sehen. Zusammen mit den obligatorischen Zuschüssen Bonns käme so mehr als genug zusammen, um zügig mit dem Aufbau eines Stadtbahnnetzes zu beginnen.

Die Baubehörde kommentiert in gewohnter Redseligkeit: „Zu laufenden Arbeiten an einer Senatsvorlage geben wir keine Auskunft.“