: Zebrastreifen ohne böse Worte
■ Creeley, Röggla und Esterházy im Literaturhaus
Robert Creeley fühlte sich gleich heimisch, als er am Mittwoch das Literaturhaus betrat. Ein Slam-Poet aus Chicago las von schwuler Liebe. Er war spontan eingesprungen, da die erwartete Autorenriege, die von ihrem Salzburger Residenz Verlag auf Reisen geschickt worden war, sich verspätete.
Robert Creeley, 70jährig, gilt als einer der bedeutendsten Lyriker der USA. Seine Gedichte leugnen ihre emotionale Veranlassung nicht, handeln von Liebe oder warum Robert Bresson so wunderbare Filme dreht. Creeley schreibt beiläufig und zugleich eindringlich, meidet lakonische Rückzugsgefechte ebenso wie das Pathos. Weinerlich brüchig und trotzdem gelassen klang seine Lesestimme. Nach ihm kam die jüngste Autorin des Verlages zu Wort. Die in Salzburg geborene Kathrin Röggla ist von der konkreten Poetik der Wiener Schule beeinflußt, zauberte in ihrer Wortmanege einen Trumpf nach dem anderen aus dem Ärmel. Von Kaugummigehäusen mit Pillenknick, Zebrastreifen, die einander kein böses Wort nachsagen, war aufgeweckt und nie atemknapp die Rede. Als die Röggla eine Manuskriptseite nicht wiederfand, las sie weiter aus einer, die mit „werden wir uns wiederfinden“ begann. Ob's tatsächlich die richtige war?
Zum Schluß trug der Ungar Peter Esterhàzy aus seinem schmalen Buch Eine Frau 97 Variationen darüber vor, wie ein Mann eine Frau sieht. „Es gibt eine Frau, die liebt mich.“ Geschwätziger, vielleicht zu betont witzig war der Zwischenteil, der Schluß wieder tiefschürfend einfach: „Es gibt eine Frau. Liebe ich sie, haßt sie mich. Hasse ich sie, liebt sie mich.“
„Wir machen Bücher, um verbrachte Zeit lebendig werden zu lassen“, betonte der Salzburger Verlagsleiter zuletzt. Und das ist seinen drei Autoren in dieser Stunde Lesezeit geglückt. Stefan Pröhl
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