Pastorale Postkarten

■ „Mutter und Sohn“: in Hamburg gefördert, auf der Berlinale durchgefallen

Vielleicht lag es ja an den Umständen. Denn bei der Berlinale haust der Filmscherge in den Kinosälen und wird mit laufenden Bildern eingedeckt, bis ihm schwindlig wird. Stillere Filme wie Mutter und Sohn, vom russischen Filmemacher Aleksandr Sokurov mit Mitteln der Hamburger Filmförderung gefertigt, haben es gewiß schwer, dagegen anzukommen. Doch Sokurovs filmischer Minimalismus macht es dem Zuschauer auch nicht gerade leicht, schert er sich doch wenig um Kommunikation.

Eine Mutter, ein Sohn, eine Landschaft irgendwo in Rußland – viel mehr ist nicht zu sehen. Der Sohn (Aleksej Ananischnov) trägt die sieche Mutter (Gudrun Geyer) aus unerfindlichen Gründen durch die Gegend und redet verquast von schwergewichtigen Dingen, während er ihre Beziehung aufarbeitet. Da ist gleich in den ersten Minuten vom Geist und dem Ich, vom Bewußtsein und vom Tod die Rede. Merksätze über die großartige Schöpfung stehen schwer atmend über den Feldern. Wenn die elegische Meditation über den Tod dem Betrachter dazu auch noch plumpe Allegorien vom sterbenden Mütterchen Rußland aufdrängt, treibt der Kunstanspruch endgültig banale Blüten.

Auch die Kamera von Aleksej Fjodorov blickt ganz gleichgültig und unbeteiligt auf Gräser, die sich im Wind biegen und auf Feldwege, die sich bedeutungsschwer gabeln. Anstatt diesen Blick mit den Blicken der Darsteller zu verzahnen, schneidet Sokurov immer wieder lange Halbtotalen des tragischen Paars dagegen. Per Selbstdefinition Autorenfilmer, interessiert er sich eben wenig für filmische Konventionen. Doch wenn sich nicht einmal die Kamera für seine Bilder interessiert, wer soll sich dann für das Schaffen dieses als elitär verschrieenen Filmmenschen erwärmen?

Ohne jedes Timing dehnt Sukorov die Zeit und überstrapaziert dabei jedenfalls die flüchtige Aufmerksamkeit manches Berlinale-Besuchers. Wenn am Ende, wie kaum anders zu erwarten, die Mutter stirbt, schwindet gleichzeitig Mütterchen Rußland, und der Sohnemann steht ganz allein in der pastoralen Postkarte. Doch dies ließ sich der Rezenszent nurmehr erzählen, verließ er doch rechtzeitig das Kino, um nicht selbst im Sessel dahinzusiechen.

Bei alledem muß sich die Hamburger Filmförderung die Frage gefallen lassen, warum statt der Idee eines jungen Hamburger Filmers diese dröge Elegie bezahlt werden mußte. Volker Marquardt