Öko-Politur

■ Die Umweltauszeichnung der Unternehmer kürt Dienstleister wie Chemieunternehmer

Der Weg zur Ökoauszeichnung führt manchmal über internationale Autobahnen. Sogar per Chemikalientransporter. Das ist jedenfalls die frühe Erfahrung von Ulrich Brandt, dem Chef des Lilienthaler Poliboy-Familienunternehmens. Er hat seit der ersten zaghaften Öko-Politur seines Unternehmens in den Siebzigern – befördert von internationalen Ozon-Loch-Visionen und verschärfter Gangart der Umweltgesetzgebung – mittlerweile ernst gemacht mit seinen Umwelt-Ambitionen. Längst geht es im Lilienthaler Chemiewerk nicht mehr nur um die damals schwierige Beschaffung von FCKW-freien Treibgasen für Poliboy-Spraydosen. Mittlerweile verfügt der Betrieb über ein auf europäische Richtlinien abgestimmtes System für's sogenannte Umwelt-Management. Das beinhaltet die ressourcenschonende Produktion auf allen Ebenen. Dafür wurde der Poliboy-Brandt&Walther- Oberste gestern gemeinsam mit den Chefs der Beck's Brauerei, des Centrums für Innovative Produktentwicklung und der Braker Siemens-Niederlassung „Bordnetze“ ausgezeichnet.

Alle vier Betriebsleiter können sich die Auszeichnung der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer e.V. (ASU) künftig ins Chefzimmer hängen. Mehr nicht. Denn Geld gibt es dafür keins – und doch gingen insgesamt rund 140 Bewerbungen um die Umweltauszeichnung der ASU-Regionalgruppe Bremen ein. „Damit hat sich die Zahl der Bewerbungen in den letzten zwei Jahren fast verdoppelt“, lobt ASU-Vorstand Klaus Ziegler diesen Andrang als Indikator für unternehmerische Bewußtseinsänderung. „Diese Erfolgsquote entspricht einer Lernquote“ – und wohl auch einem gewissen Druck des Gesetzgebers. Nicht zuletzt aber der umweltorientierten VerbraucherInnennachfrage.

Dazu nickten die Unternehmer und bekräftigen: Ohne ihren Individualismus und die Bereitschaft, „Geld in die Hand zu nehmen“, das sich nicht immer direkt in bare Münze umrechnen läßt, funktioniere Umweltschutz nicht. Das gelte für den Bierbrauer mit unternehmenseigener Energieproduktion und Abwasserreinigung sowie umweltschonendem Etikettendruck ebenso wie für den innovativen Produktentwickler. Für diesen betonte Günther Diekhöner die Bedeutung eines umweltgerechten und damit angenehmen Betriebsklimas insbesondere für „kreative Menschen in einer Denkfabrik wie unserer“. Seine Firma mit Sitz in Bremens erstem Öko-Bürohaus ist zugleich ein lokaler Vorreiter für den Umweltschutz auch im Handels- und Dienstleistungssektor. Denn für diese Bereiche ist das nach EU-Richtlinien entwickelte Öko-Audit, mit dem bislang die drei Bremer Unternehmen Mercedes, Wollkämmerei und Siemens ausgezeichnet wurden, erst in Planung.

Daß künftig allerdings für Firmen, die nach europäischen Umweltstandards produzieren, schnellere Genehmigungsverfahren oder erleichterte Meldepflichten gelten sollen, wie es der Bonner ASU-Vertreter Klaus Günther gestern anläßlich der Preisverleihung forderte, ist vorerst frommer Unternehmerwunsch. Erst als die Bremer Wollkämmerei vor zwei Monaten ihre neue Produktionsweise nach dem Öko-Audit vorstellte, bekräftigte Umweltsenatorin Tine Wischer die Bedeutung des Gesetzgebers – inklusive der unabhängigen Prüfung von Umweltstandards von Amts wegen. ede