■ Filmstarts à la carte
: Eine Fußnote der Filmgeschichte

Zu Beginn der fünfziger Jahre befand sich die amerikanische Filmindustrie in einer existentiellen Krise. Die Familiengründungen der aus dem Zweiten Weltkrieg heimkehrenden Soldaten und der daraus resultierende Babyboom hatten zu einem Wertewandel in der Gesellschaft und einer Neuorientierung im Freizeitverhalten geführt. Außerdem trat das Fernsehen seinen unaufhaltsamen Siegeszug an. Rettung für das Kino versprachen sich die Studiobosse von neuen und spektakulären Attraktionen: Während sich die Breitwandformate letztlich künstlerisch und kommerziell durchsetzten, entpuppte sich der kurzzeitige Erfolg des dreidimensionalen Films nur als Strohfeuer.

Dieser Fußnote der Filmgeschichte widmet das Filmmuseum Potsdam zur Zeit eine kleine Retrospektive. Die Entscheidung von Warner Bros., Alfred Hitchcocks „Bei Anruf Mord“ (1954) in 3D filmen zu lassen, läßt sich heute nur schwer nachvollziehen. Der auf einem Theaterstück basierende Kriminalfilm ist stark dialoglastig und bietet nur wenige Möglichkeiten, die Technik der plastischen Fotografie auszureizen. Der interessanteste Effekt ergibt sich, als Grace Kelly nach einer Schere tastet, um sich gegen den gedungenen Mörder zu verteidigen, und ihre Hand dabei direkt ins Bild zu ragen scheint.

Erheblich erfolgreicher hatte man die Möglichkeiten der 3D- Fotografie zuvor in André de Toths „House of Wax“ (1953) ausgelotet. Wenn Köpfe der in einem Feuer schmelzenden Wachsfiguren davonrollen oder Tote direkt nach vorn aus der Leinwand herauskippen, steigert dies die unheimliche Atmosphäre des Horrorfilms ganz erheblich. Ferner ist der Film mit einer gnzen Reihe von Gimmicks versehen, wie etwa den Tänzerinnen, die dem Publikum die Beine entgegenschleudern. An anderer Stelle hat man das Gefühl, einen mit einem Gummizug am Schläger befestigten Ball direkt ins Gesicht geschlagen zu bekommen.

In Paul Morrisseys „Andy Warhols Frankenstein“ (1973) stehen Schatteneffekte im Mittelpunkt des Interesses: Zum Greifen nahe sind beispielsweise die Gedärme eines aufgeschlitzten Mannes, den die Kamera in Untersicht durch einen Rost hindurch aufnimmt, oder die Lanzenspitze mit der aufgespießten Leber, die einem direkt vor der Nase hängt, als jemand von hinten damit durchbohrt wird.

Das Talent des französischen Regisseurs Roger Vadim bestand vor allem darin, seine jeweiligen Frauen (Brigitte Bardot, Annette Stroyberg, Cathérine Deneuve) in Szene zu setzen. 1967 übernahm seine damalige Gattin Jane Fonda die Titelrolle in „Barbarella“, der Verfilmung eines Comic-Strips von Jean- Claude Forest. Berühmt wurde der Film insbesondere wegen Fondas schwerelosem Striptease, mit dem sie sich in der Titelsequenz aus ihrem Raumanzug pellt. Als Fonda wenig später ihr politisches Engagement entdeckte, war ihr die Rolle des hübschen Sexsymbols dann eher peinlich.

Wie kaum ein anderer Film ist „Barbarella“ ein Produkt der Psychedelic-Ära: Fotografiert durch Plastikfolien und Plexiglasröhrchen, blubbert und wabert es quietschbunt vor sich hin. Barbarellas Raumschiff sieht aus wie eine überdimensionale Trillerpfeife und begeistert durch seine orange Plüschausstattung. Am Ende steht die Apokalypse, wie ich sie mir immer gewünscht habe: Der Planet wird von einer kochenden Flüssigkeit verschlungen, die in ihrer Konsistenz an eine Mischung aus Afri-Cola und Bluna-Orangenlimonade erinnert.Lars Penning

„Bei Anruf Mord“ 26.1., 1.3.; „House of Wax“ (OF) 27./28.2.; „Andy Warhols Frankenstein“ (OF) 28.2., 2.3. im Filmuseum Potsdam

„Barbarella“ 28.2./1.3. im Blow Up 2