Verläßliche Halbtags-Schulpflicht

Verwaltungsgericht lehnt Klage gegen die verläßliche Halbtagsgrundschule ab. Eltern wollen in zweite Instanz gehen  ■ Von Lisa Schönemann

Ist bei der Einführung der verläßlichen Halbtagsgrundschule (VHGS) von 8 bis 13 Uhr für ABC-Schützen alles mit rechten Dingen zugegangen? Eine Elterninitiative meint: Nein. Grund genug für Sabine und Rüdiger Jüsche aus Marms-torf für ihre siebenjährige Tochter vor das Verwaltungsgericht zu ziehen. Ihre Tochter, so der Wunsch der Eltern, sollte in den ersten beiden Klassen nicht der Schulpflicht in Halbtags-Form unterliegen. Das Verwaltungsgericht lehnte die Klage gegen die Schulbehörde gestern ab. Es gebe zwar möglicherweise eine Qualitätsverschlechterung, so Gerichtssprecher Joachim Pradel, „aber nicht in dem Maße, daß das Elternrecht auf Erziehung oder das Recht des Kindes auf Bildung gefährdet sind“.

Wir haben geklagt, weil wir diese Art von staatlicher Betreuung nicht von oben diktiert bekommen wollen“, sagte Sabine Jüsche zur taz. Die Halbtagsgrundschule sei „eine komplett neue Form, die nicht flächendeckend am Schüler ausprobiert werden darf“, erklärte ihr Anwalt. Es handele sich um einen Schulversuch, bei dem die Eltern über die Beteiligung ihrer Kinder entscheiden müßten. Zudem gebe es für die Halbtagsgrundschule keine entsprechende Gesetzesgrundlage. Sabine und Rüdiger Jüsche wollen nun in zweiter Instanz vor das Oberverwaltungsgericht ziehen.

Schulbehörde und Verwaltungsgericht hielten die Klage für unzulässig, da aus ihrer Sicht kein Schulversuch vorliegt. „Die Ziele der Grundschule haben sich nicht geändert“, so Ulrich Vieluf von der Behörde. „Die veränderten Rahmenbedingungen der Halbtagsgrundschule führen dazu, daß das, was laut Lehrplan unterrichtet werden soll, auch tatsächlich angeboten wird.“So seien Sozial- und Umwelterziehung vorher oft zu kurz gekommen.

Die Enquetekommission Schulpolitik hatte 1993 die Einführung der Halbtagsgrundschule empfohlen. Im September 1995 gab die Bürgerschaft grünes Licht. Zu Beginn des Schuljahres 1996/97 wurde die VHGS in einem Teil der Hansestadt – der sogenannten Region A – eingeführt. In Harburg, Finkenwerder, Mümmelmannsberg und Wilhelmsburg sowie im Raum Süderelbe und Bergedorf sind 77 Grund- und Sonderschulen seitdem für rund 13.000 SchülerInnen von 8 bis 13 Uhr geöffnet.

Die wöchentliche Unterrichtszeit wurde bei den ABC-Schützen von 19 auf 23 Stunden erhöht. Hinzu kommen vier Stunden im offenen Eingangs- und Schlußbereich, die für Erst- und Zweitkläßler freiwillig sind. Im nächsten Schuljahr kommt die VHGS auch in der Region B (Billstedt, Bezirke Altona und Mitte sowie Horn) zum Zuge.

Das neue Modell mit den hehren Zielen wie der Gestaltung der Schule als Lebensraum, der Integration ausländischer Kinder und der Prävention gegen Lernversagen hat die GEW und viele Eltern auf den Plan gerufen, weil an vielen Schulen die personelle, räumliche und materielle Ausstattung nicht ausreichend aufgestockt wurde.