Die vergessenen Frauen

■ Zwei Bremer Lehrerinnen entdeckten im Staatsarchiv die Geschichte der Bremer Dienstmädchen

Sie waren Leibeigene bis 1918, Entrechtete, ohne jede Absicherung, fast ohne Lohn, Frauen, die Tag für Tag geschuftet haben und nicht mal zu den Erwerbstätigen zählten. Und in der Weimarer Republik, als einiges erkämpft war und es ein wenig besser ging, da waren sie immer noch wesentlich schlechter gestellt als alle anderen Frauen in Lohn und Brot. Die Rede ist von den „Hausgehilfinnen“, einer fast vergessene Gruppe arbeitender Frauen. Die Geschichte der Bremer Hausmädchen wird in zwei dicken Bänden über Frauenerwerbsarbeit erzählt, die gestern im Bremer Staatsarchiv vorgestellt worden sind. Fünf Jahre lang haben die beiden Bremer Lehrerinnen Elisabeth Hannover-Drück und Romina Schmitter über Frauenerwerbsarbeit zwischen 1871 und 1933 geforscht. Herausgekommen ist eine fast 700 Seiten starke Quellen- und Dokumentensammlung, die nun in den Bremer Schulen eingesetzt werden soll, „um die Geschichte der Frauen sichtbar zu machen“, sagt Romina Schmitter.

Die Geschichte der Hausmädchen ist nicht die einzige, die mit Hilfe der zusammengetragenen Dokumente lebendig wird – aber fast die wichtigste. Ganz so, als habe sich die Entrechtung der Hausangestellten über die Jahre fortgesetzt, wurde die immerhin größte Gruppe der weiblichen Erwerbstätigen in der Geschichtsschreibung kaum wahrgenommen. Die Lebensverhältnisse von Arbeiterinnen sind bekannt, die der Dienstmädchen kaum.

Nach wie vor gilt die Arbeit im Haushalt nicht als Arbeit – und genau so wurde die „Erwerbstätigkeit“auch schon im 19. Jahrhundert definiert, sagt Romina Schmitter. Als „erwerbstätig“galt, wer außerhalb des Hauses Geld verdiente. Dienstmädchen gehörten nicht dazu. Entsprechend war die Rechtslage. Während die Gewerbeordnung beispielsweise vorschrieb, daß ArbeiterInnen und Angestellte ihren Lohn mindestens monatlich und in Geld ausbezahlt bekommen, war die „Gesindeordnung“die Anleitung zur Leibeigenschaft. Dienstmädchen hatten bei ihrer Herrschaft zu buckeln, für kaum mehr als Kost und Logis, das wenige Geld gab es zweimal im Jahr. Und nur an diesen Terminen im Frühjahr und Herbst war es ihnen überhaupt gestattet, die Herrschaft zu wechseln. Erst 1918 wurde die „Gesindeordnung“außer Kraft gesetzt. Und wie die Verhältnisse auch dann noch waren, das zeigt ein Gesetzesentwurf zum Dienstbotenrecht aus den 20er Jahren: Da sollte ein „Zimmer mit Fenster ins Freie“genauso festgeschrieben werden wie ein eigenes Bett und eine eigene Waschschüssel. „Und ein Handtuch nur zum persönlichen Gebrauch.“Das Gesetz wurde nie verabschiedet. J.G.

Romina Schmitter: Dienstmädchen, Jutearbeiterinnen und Schneiderinnen (Frauenerwerbsarbeit 1871-1914); Elisabeth Hannover-Drück: Hausgehilfinnen, Ange-stellte und Arbeiterinnen (Frauenerwerbs-arbeit 1919-33); Selbstverlag des Staats-archivs; Preis: jeweils 15 Mark