„Der Mann ins Parlament, die Frau ins Haus“

■ Der lange Weg zur politischen Gleichberechtigung von Frauen in Bremen

„Ich meine, die Frauen wollen auch ins Parlament. Ich glaube aber, die gehören nicht dahin... So gut wie der Fisch ins Wasser und die Katze aufs Land paßt, gehört der Mann ins Parlament und die Frau ins Haus“.

Mit seiner Rede sorgte der parteilose Abgeordnete Maximilian Boettcher in der Bürgerschaft am 20. Februar 1918 laut Protokoll für Heiterkeit. Seine Ansicht spiegelte die jahrhundertelange Tradition Bremens wider. Zwar konnten Frauen im 15. Jahrhundert das Bürgerrecht erben, verdienen oder für eine Mark kaufen. Den Frauen war es allerdings verwehrt, den Bürgereid zu leisten. Damit waren sie jahrhundertelang vom Wahlrecht und der Wahrnehmung anderer politischer Rechte ausgeschlossen.

Daran änderte auch die erste demokratische „Verfassung des Bremischen Staats“von 1849 nichts. Im Vorfeld der Verfassungsänderung formierte sich allerdings der erste Protest auf Seiten der Frauen. Im Sommer 1848 stieg eine bis heute unbekannte Frau auf das Podest einer Versammlung von Arbeitern und Handwerkern. „Ihr wißt, daß auch wir Inwohner des Staats sind, daß ihr ohne unser Euer Dasein nicht hättet, sagt, wie konntet ihr uns vergessen?“rief sie den Männern zu.

Auch als 1870 mit der „Verfassung des Deutschen Bundes“das sogenannte allgemeine Wahlrecht eingeführt wurde, waren die Frauen ausgeschlossen. Außerdem verbot das preußisches Vereinsgesetz von 1850 ihnen die Mitgliedschaft in politischen Parteien: „Politischen Vereinen ist die Aufnahme von Frauenspersonen, Schülern und Lehrlingen verboten. Auch dürfen solche Personen nicht an Versammlungen und Sitzungen teilnehmen, bei denen politische Gegenstände verhandelt werden.“

Die erste Partei, die sich für das Frauenwahlrecht stark machte, war die SPD. 1879 erschien das Buch von August Bebel: „Die Frau und der Sozialismus“. Bebel begründete die Forderung nach dem Wahlrecht für Frauen u.a. mit der gesellschaftlichen Bedeutung der Mutterschaft. Zwölf Jahre dauerte es, bis sich diese Meinung in der SPD durchgesetzte. In ihrem Erfurter Programm von 1891 forderte die Partei ein gleiches allgemeines Wahlrecht unabhängig vom Geschlecht. 1895 brachte die SPD den ersten Antrag zum Frauenstimmrecht in den Reichstag ein. Die Partei scheiterte, nicht zuletzt, weil die übrigen Parteien fürchteten, die Frauen würden den Sozialisten ihre Stimme geben.

Auch in Bremen waren es Sozialdemokraten, die sich als erstes für das Frauenstimmrecht stark machten: „Es läßt sich nicht leugnen, daß die Frau dasselbe Recht haben sollte, dasselbe Wahlrecht haben muß“, wandte sich der Sozialdemokrat Alfred Henke am 29. Januar 1908 in der Bürgerschaft an die Konservativen. „Daß Sie darüber lachen, das zeigt den Tiefstand Ihrer politischen Einsicht.“

Bereits vier Jahre vor dieser Bürgerschaftsdebatte, im Jahr 1904, hatte Luise Koch den Bremer Verein für Frauenstimmrecht gegründet. 1902 war der „Deutsche Verband für Frauenstimmrecht“gegründet worden. Im Laufe der nächsten Jahre zersplitterte diese Bewegung an Flügelkämpfen und der Frage, wie das Stimmrecht für Frauen genau aussehen sollte. Mit ihren rund 10.000 Mitgliedern blieb die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung, die zuletzt drei große Organisationen zählte, weit hinter der englischen und amerikansichen Bewegung zurück.

Als das Vereinsgesetzes 1908 aufgehoben wurde, war es den Frauen erlaubt, in Parteien mitzuarbeiten. Die konservativen Parteien verweigerten ihnen allerdings den Zutritt. Am 12. November 1918 verkündete der Rat der Volksbeauftragen in Berlin das Frauenstimmrecht. Damit wurde das Frauenstimmrecht verordnet und nicht – wie in den USA und England – von den Frauen auf der Straße erkämpft.

Am 19. Januar 1919 wurden 17,7 Millionen Frauen zum ersten Mal an die Wahlurnen gerufen. 82,3 Prozent aller wahlberechtigen Frauen gaben ihre Stimme ab. Eine unerwartet hohe Wahlbeteiligung. Die Frauen wählten allerdings nicht – wie die konservativen Parteien befürchtet hatten – SPD oder USP, sondern die rechten Parteien. 87.736 Frauen beteiligten sich am 9. März 1919 an der Wahl zur Bremischen Nationalversammlung. Das waren 54,5 Prozent aller Wahlberechtigten. 18 Frauen zogen erstmals in die Bremische Nationalversammlung, in der insgesamt 120 Abgeordnete saßen. Maximillian Boettcher war übrigens nicht darunter. Der Mann, der meinte, Frauen gehörten ins Haus, war nicht wiedergewählt worden. kes