■ Zur Person
: „Der einzige Mann im Senat“

„Der Krieg hat uns gezeigt, wie verderblich der Ausschluß der Frauen von den politischen Entscheidungen sich ausgewirkt hat. Jetzt werden auch Frauen wieder in der Bürgerschaft Sitz und Stimme haben.“Ihre starken Worte nützten der 31jährigen Hausfrau Annemarie Mevissen im Sommer 1946 nichts. Bei ihrer Kandidatur zur Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung in Bremen fiel die Sozialdemokratin durch – und war heilfroh. Mevissen wollte lieber Lehrerin als Politikerin werden. Ex-Bausenator Emil Theil hatte die gelernte Buchhändlerin zur Kandidatur überredet. Ein Jahr später brachte Theil Mevissen dazu, für die Bürgerschaft zu kandidieren. Im Oktober 1947 zog sie als jüngstes Mitglied in die Bürgerschaft. Daß sie die Geschicke des Landes 23 Jahre mitbestimmen würde – die letzten acht Jahre als stellvertretende Bürgermeisterin – hätte sich Mevissen damals nicht träumen lassen. Der Beginn ihrer politischen Karriere war allerdings alles andere als leicht: 1951 holte Bürgermeister Wilhelm Kaisen (SPD) sie in den Senat – ohne ihr ein Ressort zu geben. „Zeig' uns erstmal was Du kannst“, ließ er die junge Senatorin wissen. Mevissen kämpfte. Sie errang nicht nur das Ressort für Jugend, Sport und Soziales, sondern auch die Gunst Kaisens zurück. „Wenn sich also zum ersten Mal in der Geschichte des bremischen Senats unter den Gewählten eine Frau befand, so hat diese Frau diese Probe glänzend bestanden“, mußte er später zugeben. Annemarie Mevissen schuf nach dem Krieg die ersten Kindergärten, Jugendfreizeitheime und Sportstätten. Sie baute die Altenpflege aus, schuf Einrichtungen für Behinderte und Unterkünfte für Obdachlose. Den Höhepunkt ihrer politischen Karriere erlebte sie, als sie 1967 zur stellvertretenden Bürgermeisterin gewählt wurde. Kurz darauf, im Januar 1968, brachen die Straßenbahn-Unruhen aus. Koschnick war verreist. Mevissen schwang sich auf eine graue Sandkiste, sprach zu den Demonstraten und befriedete die Situation. Damals erwarb sie sich den Ruf des „einzigen Mannes im Senat“. 1975 trat Mevissen zurück. „Ich gebe zu, daß ich enttäuscht bin über die Entwicklung, die sich für Frauen in der Politik vollzogen hat“, sagte sie kurz darauf.