Gastkommentar (vgl. auch S. 40)
: Staatstragende Gleichberechtigung?

■ Wir lassen uns nicht mit einer Frauen-Partei abspeisen

Mit einem Tomatenwurf an den Kopf eines sexistischen Genossen begann die westdeutsche Frauenbewegung. Wieviele Kisten Tomaten werden die Frauen und Lesben der feministischen Partei täglich in den Plenarsaal des Bundestages tragen, wo sie sich mit linken wie rechten Männern auseinandersetzen wollen?

Autonome Feministinnen der Frauen-/Lesbenbewegung haben mit der APO immerhin gemein, parteiähnliche Gruppen abzulehnen. Sie können auf zu großen Kontakt mit dem Establishment verzichten. Sie probieren neue, nicht hierarschische Umgangsformen. Sie lenken ihre Aktivitäten statt in Bürokratie und Funktionärstum auf direkte, sichtbare Aktionen. Sie nutzen die kleinen, überschaubaren Gruppen, um Alltagserfahrungen und Unterdrückungserlebnisse in politische Theorie und Gegen-Aktivität umzusetzen („das Private ist politisch“). Sie organisieren sich ohne Männer – und das ist der Riesenunterschied zur APO – um sexismusfrei arbeiten zu können.

Prinzipiell bedeutet für mich die Orientierung an bundesdeutschen Parteiengesetzen, an bundesdeutscher Bürokratie, ein zumindest teilweises Akzeptieren der männlichen westlichen Vorstellung von Demokratie: Alle paar Jahre darf ein Kreuz gemacht werden; darin erschöpft sich unser Mitspracherecht. Auch eine Frauenpartei stellt sich nur alle paar Jahre zu Wahl. Sie akzeptiert trotz ihrer hohen Ziele den deutschen Nationalstaat, der sechs bis sieben Millionen Migrantinnen in diesem Land weit mehr vorenthält, als wählen gehen zu dürfen. Frauen, Lesben und Mädchen leisten seit 30 Jahren täglich Widerstand gegen sexuelle Gewalt und Diskriminierung. Sie organisieren sich unabhängig und lassen sich nicht mit einer Frauenpartei abspeisen. Gudrun Fischer, autonome lesbische Feministin, Journalistin bei der
Koryphäe, einer feministischen Zeitung für Frauen in Naturwissenschaft und Technik