Ausweisung ins Ungewisse

■ Armenische Christin hat Angst vor Vergewaltigung und Folter in der Türkei

In vier Tagen soll die 20jährige Hikmet P. (*) in die Türkei abgeschoben werden. Ganz allein. Die armenische Christin kennt niemanden in der Türkei. Zudem muß sie damit rechnen, am Flughafen von der politischen Polizei verhaftet zu werden. Im Gefängnis wird man sie vergewaltigen und foltern. Das zumindest ist der Alptraum, der sich zur Zeit im Kopf der jungen Frau abspielt. Sie kann darum nicht mehr schlafen. Hat Angst vor der Dunkelheit. Selbstmordgedanken treiben die junge Frau um.

Ihre Furcht ist nicht unbegründet. Vor der Flucht aus der Türkei 1991 ist bereits ihre Schwester zusammengeschlagen und fast vergewaltigt worden – von Polizisten. Ähnliches passierte der Mutter. Jahrelang war sie Mißhandlungen in der Türkei ausgesetzt. Sie starb daran – nach der Flucht in Bremen.

Die armenischen ChristInnen sind eine kleine Minderheit in der Türkei. Nach Berichten von amnesty international sind sie harten Repressalien ausgesetzt. Hikmet P. hat noch ein weiteres Problem: Der türkischen Polizei liegen offenbar Fotos vor, die die junge Frau bei einer Demonstration für Menscherechte zeigen. Sie stand darum bereits auf den Fahndungslisten.

Trotzdem lehnte das Bremer Verwaltungsgericht einen Asylfolgeantrag jetzt ab. Die konkrete Gefahr von Mißhandlungen sei nicht zu erkennen, hieß es. Familie P. hat natürlich Beweisprobleme. Die psychischen Probleme der Mutter ließen sich nicht eindeutig auf Mißhandlungen zurückführen. Sichtbare Schäden durch Folter oder Schläge lägen nicht vor.

Neben Hikmet sind auch ihr Vater und ihre ältere Schwester von der Ausweisung bedroht. Die beiden haben aber zur Zeit ein Attest, sind nicht reisefähig.

An einen Strohhalm klammert sich die Familie jetzt noch. Ihr Rechtsanwalt hat gegen das Abschiebe-Urteil Einspruch eingelegt. Problem: Dieser hat keine aufschiebende Wirkung.

Bis zu einem Entscheid ist Hikmet P. längst in der Türkei bei ihren Häschern gelandet. Dazu sagte Stefan Luft, Sprecher von Innensenator Ralf Borttscheller (CDU), gestern: „Entweder sie reist am Mittwoch freiwillig aus oder sie wird zur Fahndung ausgeschrieben und zwangsweise abgeschoben.“Dem Innensenator bliebe noch die Möglichkeit, nach Paragraph 54 Ausländergesetz die Abschiebung um sechs Monate aufzuschieben. „Ein Abschiebestopp wird nur in Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium und den anderen Länderinnenministern erteilt. Dies wurde beschlossen, um eine bundeseinheitliche Praxis zu erzielen“, so Luft. Die nächste Innenministerkonferenz tagt erst im Mai. Zu spät für Hikmet P. Jens Tittmann

* Name von Red. geändert