Feingerippte Versuchung in lila Zeiten

■ Slapstick,Teppichstangenakrobatik und Werbepausen beim „Varieté et cetera“

Zunächst sind da nur die Requisiten und ein trotteliger Hausmeister: Ein Reck gibt die Teppichstange, ein oller Perser liegt aufgerollt mitten im Publikum. Staub dringt wolkig aus den Teppichporen, und einige Zuschauer zucken quietschend zusammen. Dann stolpert und stürzt es los, das atemberaubende Drama des Teppichklopfens. Mal stürzt der Perser zu Boden, mal der Hausmeister, mal scheint das Reck den Mann um sich selbst zu schleudern, und prompt löst sich ein Schuh, der haarscharf über den Köpfen des Publikums davonsaust.

Slapstick und Teppichstangen-Akrobatik vereinen sich in Sekundenschnelle zu einem der Höhepunkte beim Varieté et cetera, das seit Donnerstag abend in eigenem Zelt auf der Kleinen Moorweide gastiert. Mit ihrer inzwischen vierten Show versuchen sich die zwölf et ceteras in diesem Jahr an der Seifenoper; denn ihrem Regisseur Karl Heinz Helmschrot ging es letztlich um mehr als aneinandergereihte Varieténummern. Gedreht wird im Varieté-Zelt daher die 1034. Folge von „Gelbe Zeiten, lila Zeiten“.

Während das Publikum noch die Zeltausstattung mit kleinen Tischchen und integrierter Bar bewundert, stürzt schon ein nervös schnarrender Regisseur durch die Reihen: „Hallo, Sie da, Statisten mit lichtem Haar haben in den ersten Reihen nichts zu suchen! Das gibt unschöne Lichtreflexe in der Kamera!“

Alle Klischees, die sich um TV-Produktionen ranken, kommen in der Comedy zum Zuge. Und zuweilen werden sie so schrill ausgereizt, bis sie am Nerv des Zuschauers nagen. Da ist etwa Erik, der Frauenheld der Serie: In Folge 1033 wurde der Jungmann mit dem hollywoodreifen Lächeln von Dörte verlassen. Kurzfristig zog er sich ins Kloster zurück – und als vermummter Mönch hat er nun sein Comeback. Unter der Kutte steckt derweil ein Muskelpaket a la Schwarzenegger – als Zehnjähriger sollte Eric noch Leistungsturner der DDR werden. Inzwischen zeigt er einhändige Standfestigkeit in fast durchsichtiger Verschnürung.

Tango und Gesang, Magie und snobistische Clownerie, ein Tanz am Vertikalseil und rasante Einradakrobatik, all diese Zutaten machen aus „Gelbe Zeiten, lila Zeiten“dann doch noch Varieté, das den Besuch lohnt.

Und wenn in der Werbepause die männliche Herrlichkeit der et ceteras Dreamboy-Posen zelebriert, dann darf Hamburgs Dämlichkeit auch mal kreischen: Denn wer hat je einen schöneren Feinripp-Strip gesehen als den von Hausmeister Linke.

Karin Flothmann

noch bis zum 4. Mai, Kleine Moorweide, gegenüber vom Bahnhof Dammtor, täglich (bis auf montags) um 20 Uhr