„ Ethisch nicht vertretbar“

■ Tierschutzexpertin Dr. Rusche gegen geplante Bremer Primaten-Experimente

Die Grünen wollen in der kommenden Woche in der Wissenschaftsdeputation die Frage der geplanten Experimente mit Primaten an der Bremer Universität debattieren. (vgl. taz 11.4.) „Es erschreckt uns“, schrieben sie gestern in einem Brief an den Rektor der Universität, „daß eine solche Entscheidung nicht nach öffentlicher Kontroverse mit Ja oder Nein beantwortet wird". Die natur- und ingenieurwissenschaftlicher Umorientierung der Universität dürfe nicht dazu führen, daß die Universität Fragen der ethischen Verantwortung vernachlässige. „Es kann und darf nicht sein, daß bei dieser Umorientierung die ethische Sensibilität und die gesellschaftliche Verantwortung unter die Räder von Drittmitteljagd und ,Centers of Excellence' geraten“, stellen die Grünen fest.

Der Ruf an den Frankfurter Wissenschaftler Dr. Andreas Kreiter ist von der zuständigen Senatsbehörde vor kurzem bereits erfolgt, bestätigte die Sprecherin. Allerdings habe Kreiter seinerseits noch nicht zugesagt. Anfang Mai soll eine Anhörung vor der staatlichen Tierversuchskommission stattfinden, in der Kreiter selbst Rede und Antwort stehen will. Der für die Genehmigung von Tierversuchen in Bremen zuständige Referent der Gesundheitsbehörde, Jan-Hendrik Brand, versicherte gegenüber der taz, es gebe bisher keinen förmlichen Antrag Kreiters. Anträge auf Genehmigung von Tierversuchen kann auch nur stellen, wer ein konkretes Forschungsprojekt plant, dafür müßte Kreiter seinen Ruf erst angenommen haben.

Im Vorfeld der Berufung ist also informell geklärt worden, wie die Gesundheitsbehörde sich verhalten wird. Über diese informellen Gespräche hat der Neurobiologe Prof. Roth, der an Salamandern dieselben Forschungsfragen bearbeitet wie Kreiter an den Affen, der Universität berichtet. Roth ist ganz nebenbei „Tierschutzbeauftragter“der Universität. Teilnehmer der Runde: Kreiter selbst, der Gesundheitsreferent Brand und Roth. „Im Detail“sei das Thema erörtert worden, so Roth: „Die Aufsichtsbehörde hat keinerlei grundsätzliche Bedenken geäußert.“Auch Roth, der „Tierschutzbeauftragte“der Uni und zukünftige Forschungskollege Kreiters, hat natürlich „keine solche Bedenken...“Ein anderer Kollege aus der Tierversuchs-Arbeitsgruppe der Biologen, Prof. Flohr, sitzt als stimmberechtigtes Mitglied in der Tierversuchskommission. Auch wenn die Tierversuchskommission in ihrer Mehrheit zu einer anderen Auffassung kommen sollte – die Behörde wäre nicht daran gebunden.

Zu der Frage von Experimenten an Primaten fragten wir die Wissenschaftliche Leiterin des Deutschen Tierschutzbundes, Dr. Brigitte Rusche.

taz: Über Versuche mit Affen wurde ein Mittel gegen Aids gefunden. Was haben Sie gegen Tierversuche?

Rusche: Wir haben grundsätzlich etwas gegen Tierversuche, weil wir es ethisch und moralisch nicht in Ordnung finden, Tiere leiden zu lassen für sehr zweifelhafte Zielsetzungen und Ergebnisse.

Ist es zweifelhaft, wenn man gegen Aids ein Medikament finden will?

Die Zielsetzung nicht. Aber bei der Aidsforschung haben die Tierversuche keine Bedeutung gehabt, sondern andere Verfahren, Zellkulturverfahren.

Macht das einen Unterschied, ob an Salamandern oder an Primaten geforscht wird?

Je höher ein Tier organisiert ist, desto stärker wird es im Tierversuch belastet. Menschenaffen sind den Menschen sehr nahe in ihren Möglichkeiten emotionaler und verstandesmäßiger Art.

Die Forschung, die in Bremen betrieben werden soll, hat zum Ziel, die Reiz-Reaktionen auf visuelle Reize zu verfolgen.

Es gibt eine Reihe von anderen Forschungsmethoden. Man kann auch an menschlichen Probanden feststellen, wie Erregungsverläufe im Gehirn sind. Man könnte solche Fragen direkt am Menschen mit nicht-invasiven Methodenklären. Aber ist die Aufklärung der Frage von solch einer immensen Bedeutung, daß man dafür rücksichtslos mit einem solchen Tier umgehen darf? Überall auf der Welt werden Affen in Primatenstühle gezwängt und überall auf der Welt fragt man sich, wo die Nervenverbindung und wie die Reizleitungsverbindungen verlaufen. Da können Sie hundert Jahre forschen. Aus meiner Sicht sind solche Versuche nicht ethisch vertretbar.

Die Primaten werden nach der Experimenten-Phase getötet, um das Gehirn sezieren zu können...

Auch das ist normaler Verlauf einer solchen Versuchsplanung.

In Berlin oder Kassel hat der Tierschutzbund sich bisher nicht durchsetzen können mit seiner Position gegen die Primaten-Experimente.

In Berlin haben alle Gremien, die den Versuch beurteilt haben, festgestellt, daß das Experiment ethisch nicht vertretbar ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber geurteilt, daß die Freiheit der Wissenschaft vorgeht, denn die steht im Grundgesetzt. Wir sehen im Moment keine andere Möglichkeit, als entweder auch den Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetzt zu verankern.

Das bedeutet, die Behörden und die Kommissionen können beschließen was sie wollen – der Wissenschaftler könnte vor Gericht nach dem Berliner Urteil eine Genehmigung für seine Experimente erstreiten?

Der Wissenschaftler kann sich gerichtlich durchsetzen. Das ist derzeit ein unhaltbarer Zustand, denn das ist weit entfernt von dem, was der Bundestag bei der Abfassung des Tierschutzgesetzes eigentlich gewollt hat. Int.: K.W.