Müllwerker wollen nicht „Mißwirtschaft des Senats“ausbaden

■ Auch Bürgermeister Scherf konnte BEB-Mitarbeiter bei Personalversammlung nicht für Privatisierung begeistern

Lange hatte der Müllwerker geschwiegen, dann brach es aus ihm heraus. „Ich sehe nicht ein, daß wir den Kopf hinhalten müssen für jahrzehntelange Mißwirtschaft des Senats“, rief der Mann Bürgermeister Henning Scherf (SPD) zu. Donnernder Beifall der rund 1000 Kollegen der Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB), die zur größten Betriebsversammlung seit Menschengedenken in die Halle des Pier 2 gekommen waren.

Denn die BEB-Leute haben Angst um ihren Job, wenn die BEB wie beschlossen in Teile zerlegt und privatisiert wird, um mit dem Erlös Schulen, Kindergärten und Straßen zu reparieren. Viele befürchten Gehaltseinbußen.

Scherf hatte einen schweren Stand. Die BEB-Mitarbeiter haben immer noch die Äußerung des Senatspräsidenten im Ohr, die BEB arbeite zu schlecht und zu teuer. „Sie können mir keine Garantie geben, daß ich bis zur Rente hier arbeiten kann“, polterte eine Frau. „Wenn Sie uns zerstückelt verkaufen, fällt das Schreien gar nicht auf, dann sind wir in ein paar Jahren weg vom Fenster. Schönen Dank“.

Der Bürgermeister warb um Verständnis. Die Privatisierung sei die einzige Möglichkeit, den Anforderungen des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes zu genügen. Außerdem seien die Zeiten vorbei, in denen die Bevölkerung höhere Gebühren für Müll und Abwasser hingenommen habe. Die Kosten der Entsorgung ließen sich in privaten Gesellschaften eher begrenzen. „Ich habe auch ein Mandat der Gebührenzahler“, stellte Scherf fest. Außerdem habe die SPD die Wahlen verloren und stehe darum mit dem Koalitionspartner CDU in einer „Grundsatzauseinandersetzung“, wie öffentliche Aufgaben zu organisieren seien.

„Niemand will an Ihre Arbeitsplätze oder an Ihre Löhne ran“, sagte der Sozialdemokrat. Da ginge es etwa Bauarbeitern schlechter. Eine Arbeitsplatzgarantie sei Basis für jeden Interessenten, der die BEB übernehmen wolle. „Wir streiten nur um die zukünftigen Kollegen“, räumte Scherf ein. Die Personalräte wollen die neuen Mitarbeiter den Altgedienten gleichstellen. Scherf lehnte es ab, den Vorschlag der BEB-Beschäftigten noch einmal zu prüfen, den Betrieb von einem Eigenbetrieb in eine Anstalt öffentlichen Rechts umzuwandeln, einen Kredit aufzunehmen und damit den Stadtreparaturfonds zu füllen. Das Privatisierungsverfahren laufe.

Heute könne niemand mehr sagen, „daß wir zu schlecht und zu teuer sind“, sagte der Personalratsvorsitzende Dieter Bietendübel. Die BEB hätten sich von einer Behörde zu einem Dienstleistungsbetrieb umgewandelt. Bei einer Privatisierung könnten die Kosten um höchstens vier Prozent gesenkt werden. Diese Einsparung werde aufgefressen durch die Mehrwertsteuer, die private Firmen bezahlen müßten. Auch könne niemand private Firmen daran hindern, in ein paar Jahren entweder die Gebühren zu erhöhen oder Leute zu entlassen.

„Was ist mit dem Rückkehrrecht?“, wollte eine Kollegin wissen und spielte auf die Forderung des Personalrats an, daß Mitarbeiter zur Stadtgemeinde zurückkehren könnten, falls ihre neuen Arbeitgeber irgendwann Pleite gehen sollten. „Was für ein Rückkehrrecht?, fragte der Bürgermeister. „Ich bin darüber nicht informiert.“

Diese Wissenslücken machten das Publikum mißtrauisch. „Wenn das alles so klar ist, wie Sie sagen, warum liegt dann bis jetzt noch kein Angebot der Arbeitgeber für einen neuen Tarifvertrag auf dem Tisch“, wollte einer wissen. Auch sei die Position des Bürgermeisters keineswegs die Haltung aller im Arbeitgeberlager, ergänzte ein Personalrat. Einflußreiche Leute wollten den Status der BEB-Beschäftigten verschlechtern. Dieser Eindruck wird auch dadurch gestützt, daß sich die Arbeitgebervor der letzten Verhandlungsrunde im März nicht auf eine Position einigen konnte. Bis heute hat der Personalrat von keinem Angebot gehört. Wenn bis zur nächsten Runde am Freitag nichts komme, sei ein Arbeitskampf möglich, warnte Onno Dannenberg von der Gewerkschaft ÖTV. „Den kann sich die Politik an die Backe heften“. Joachim Fahrun