Hot dogs und Bier ...

■ ... und ein Moment größter Harmonie: Die New Yorker Modedesignerin Donna Karan eröffnet ein Geschäft in Berlin

Die Gogo-Tänzer im Schaufenster verausgaben sich derart, daß ihr Podest wild hin und her schwingt. Dahinter steht immer schon einer in Wartestellung, als könnte er es gar nicht abwarten, sich auf dem wackligen Brett zu exhibitionieren. Der Menge gefällt's.

Vorbei scheinen die Zeiten, als man in Berlin die Lust zur Selbstdarstellung mit Angeberei verwechselte. Gefeiert wird die Eröffnung der Donna Karan Filiale in den Friedrichstadt-Passagen. Karan ist eine amerikanische Modedesignerin, die in der Liga von Calvin Klein und Ralph Lauren spielt. Die eigentliche Party findet in der Passage statt, aber einige Leute dürfen in den neuen Laden und da stehen sie jetzt, den Blicken der Menge draußen preisgegeben, und wissen nicht so recht, was sie tun sollen. Eine Frau wagt es, eins der Kleider zu berühren, doch gleich sieht sie sich ängstlich um, als hätte sie etwas Verbotenes getan.

Draußen in der Passage dröhnt Tanzmusik aus den Lautsprechern. Auf der Treppe schwingen blaugekleidete Cheerleader goldene Puschel. Die Getränke sind umsonst, ebenso die Hot dogs, aber es gibt für jedes nur einen Stand, so daß es eine halbe Stunde dauert, bis wir unser Bier haben. Die Passage in der Friedrichstraße 71 ist ganz in schwarzem und weißem Marmor erbaut, der Mosaiken bildet. Neben Karan eröffnen hier demnächst noch Gucci und Strenesse. Karans Geschäft erstreckt sich über zwei Stockwerke.

Im Erdgeschoß wird die Designerlinie angeboten und im Untergeschoß die billigere Zweitlinie, DKNY. Im Angebot: Kleider für Männer, Frauen und Kinder, außerdem Schuhe, Accessoires und Kosmetik. Karans Traum sind Kleider, die schön und praktisch sein sollen. Eine Mode für berufstätige Frauen, die außerdem einen Mann, Kinder und verschiedene Hobbys haben und sich nicht jedesmal extra umziehen möchten. „Wer ein langweiliges Kleid will, soll zu Karan gehen“, motzte dagegen kürzlich Alexander McQueen. Wenn man die Sachen im Schaufenster sieht, klingt beides plausibel. Jacken gibt es zwischen 400 Mark und 1.000 Mark, Kleider kosten zwischen 200 und 800 Mark.

Das Partypublikum ist überraschend gemischt: Viel junges Volk in Designerklamotten, dazwischen Secondhand-Schönheiten, Transvestiten-Schönheiten, Frauen im Kostüm oder weißen bestickten Blüschen, Männer mit Bierbauch und Lederjacke. Es ist eine nicht unelegante und doch angenehm bodenständige Mischung. Das Gedränge ist groß, ein Umstand, mit dem ausgerechnet die bestgekleideten jungen Männer am schlechtesten zurechtkommen. Sie rempeln beim Gehen die Umstehenden an und sehen dann mit kalten Augen auf diese herab, wie auf etwas, das im Weg steht. So was ruiniert das Erscheinungsbild schneller als ein Fettfleck auf dem Gucci- Anzug. Ich stolpere über leere Bierflaschen und es kommt mir vor, als sei dies hier von Kreuzberger Partys gar nicht so weit entfernt. Nur daß die Musik besser ist und die Leute schöner aussehen.

Der Verkäufer am Hot-dog- Stand ist ein kleiner Dicker mit kurzgeschorenen grauen Haaren, Bärtchen und Brille, der gemütvoll die Brötchen aufschneidet. Besondere Eile hat er nicht, wozu auch, er könnte da bis morgen früh stehen und die Schlange wäre noch genauso lang. Ein hübscher junger Mann im schwarzen Anzug, weißem Hemd und mit viel Silber in Nase, Ohren und an den Fingern läßt sich breitschlagen, einer Unbekannten ein paar Hot dogs mitzubestellen. Die Prozedur verzögert sich dadurch, daß eine Karan- Angestellte ständig für irgendwelche wichtigen Leute dazwischen ordert. Danach nimmt der Hot- dog-Verkäufer erst einmal einen langen Zug aus der Colaflasche, gelassen das entnervte Gestikulieren des silber geschmückten jungen Mannes ignorierend. Es ist so typisch für Berlin, daß diese Sekunde zu einem Moment größter Harmonie gerinnt. Anja Seeliger