Boykott gegen Ausländeramt

■ Tekin Sengül aus Hamburg ist freiwillig Behördenverweigerer

Tekin Sengül hat einen Entschluß gefaßt, mit dem er sein Recht riskiert, in Deutschland zu leben. Seit dem 6. Mai boykottiert der 29jährige Türke die Ausländerbehörde Hamburgs. Seitdem hält er sich illegal in Deutschland auf.

Zwei Dutzend Interessierte, meist AusländerInnen, waren am Samstag ins Übersee-Museum gekommen, um den Behörden-Verweigerer sprechen zu hören. „Eine erneute Erlaubnis hätte ich ja bekommen“, sagt Sengül. „Aber ich will nicht nur für mich alleine ein Bleiberecht ergattern und zusehen, wie anderen dies versagt wird.“

Den Beschluß faßte Sengül vor einem Jahr, weil er da seinen vierjährigen Kampf um seine Aufenthaltserlaubnis gewonnen hatte. 24 von 29 Lebensjahren hat Sengül in Deutschland verbracht. Weil er mit 15 Jahren aus Teenager-Trotz das Elternhaus Richtung Türkei verließ, mauerte die Behörde bei seiner Rückkehr nach Hamburg. „Diese Erfahrung hat mir die unhaltbare Situation der Menschen, die hier ohne deutschen Pass leben, vor Augen geführt“, sagt Sengül. Bundespolitische Entwicklungen, wie die Einführung der Visumpflicht für ausländische Kinder, haben ihn bestärkt. „Viele Ausländer haben 30 Jahre lang still gehalten, damit es den Kindern dann besser gehen wird. Und jetzt hat Bundesinnenminister Manfred Kanther gesagt, daß es niemals besser werden soll“, sagt Sengül.

Damit spricht der Behörden-Verweigerer Anwesenden aus dem Herzen: „Ich bin froh, daß er das macht“, sagt Gül. „Ich selber kann das als anerkannte politisch Verfolgte nicht riskieren.“Mit der Türkin Hülya Kilic hat sich aber bereits eine weitere Hamburgerin dem Behörden-Boykott angeschlossen. „Meine Kinder sind hier geboren. Ich hole kein Visum“, sagt sie.

Reagiert hat die Hamburger Ausländerbehörde auf den Boykott noch nicht. Nur der Eingang von Sengüls Schreiben wurde formal bestätigt. „Die haben gerade selbst genug Ärger“, glaubt Sengül. Weil die Menschen schon ab Mitternacht für einen Termin dort Schlange stehen und selbst dann nicht gewährleistet ist, daß man am Morgen wirklich drankommt, ist die Hamburger Ausländerbehörde von Kirchen und Lokalpolitikern scharf angegriffen worden. „Es reicht aber nicht, daß die Schlangen verschwinden“, stellt Sengül klar. „Ich fordere ein neues Ausländergesetz, das anerkennt, daß Deutschland ein Einwanderungsland ist.“

Angst vor der Abschiebehaft hat er derzeit nicht. „Die Bedrohung ist aber theoretisch da, denn ich bin jetzt ja illegal.“Verstecken will sich der Boykotteur nicht. „Ich werde viel auf Reisen sein, um über meinen Schritt zu sprechen. Man sollte immer den Mut haben, denn das ist es, was eine Gesellschaft weiter bringt.“ Lars Reppesgaard