Grundsatztreuer Stier

Hans-Jürgen Ewers, Präsident der Technischen Universität Berlin, spielt Golf und war in jungen Jahren Journalist, Alles-Studierer und Asta-Funktionär  ■ Von Christoph Dowe

„Angeblich ist ein Stier treu“, sagt Hans-Jürgen Ewers, Präsident der Technischen Universität Berlin, der vor einer Woche seinen 55. Geburtstag feierte. „Auf mich bezogen: Ich bin grundsatztreu. Einer meiner Grundsätze ist der Wettbewerb. Weil das zu den besten Ergebnissen führt.“ Innerhalb von Sekunden ist Ewers bei seinem Lieblingsthema: Sein Heilungsrezept für den Reformstau an den deutschen Hochschulen ist wirtschaftsliberal angehaucht. Der Mann mit der Louis-Armstrong- Stimme verliert keine Zeit dabei, seinen Punkt zu machen.

Kein Wunder, denn Zeit ist etwas, was dem Münsteraner bei seinem neuen Job nicht zur Verfügung steht. „Diese Uni muß bis zum Jahr 2003 halbiert werden, und wir müssen jetzt entscheiden, was von dieser Hochschule übrigbleibt.“ Innerhalb eines Jahres will er die Strukturdebatte abschließen. Dabei soll der Konkurrenzdruck zwischen den Fachbereichen wachsen, denn „wenn die nicht im Wettbewerb stehen und die Nachfrager nicht mit den Füßen finanzwirksam abstimmen können, ändert sich gar nichts“.

Auch bei den Studierenden setzt der Vater von zwei Studenten (Psychologie an der FU und Nachrichtentechnik an der TU) auf das survival of the fittest – Studiengebühren, Eingangsprüfungen und Effizienz sind Eckpunkte seiner Reformideen. Wenigstens im Privaten scheint Ewers dazugelernt zu haben: „Früher hatte ich relativ hohe Ansprüche an meine Kinder“, bekennt er auf Anfrage. „Das habe ich aufgegeben. Heute bin ich zufrieden, wenn die beiden zufrieden sind.“

Daß seine Wirtschaftsrhetorik in der Universität nicht überall gut ankommt, hat er längst erkannt. Doch gegen das Image des bürgerlich-konservativen „schlanken Nadelstreifen-Argumentierers“ redet er heftig an. „Ich habe einen liberalen Standpunkt.“ Der Asta der Technischen Universität hatte seine Wahl im Januar 1997 als eine „Katastrophe“ bezeichnet.

Derzeit streitet man sich wegen einer Wehrmachtsausstellung der Studentenvertretung, die der Präsident kurzerhand verbieten ließ. „Der Konflikt wird vom Asta wohl auch benutzt, um zu sehen, wie weit der Ewers gehen wird. Aber dieses Beriechen, das ist normal“, glaubt der Präsident kurz nach seinem 100. Amtstag. Früher war auch Ewers Studi-Vertreter: Für den liberalen Studentenbund saß er im Münsteraner Asta, im Stupa und im Akademischen Senat. Der Präsident benutzt gern drastische Bilder. „Viele empfinden das als Verbalradikalismus und denken, ich habe eine Kalaschnikow auf dem Schreibtisch.“

Der Münsteraner hatte Mathemathik und Physik studiert, doch „da kamen mir zuwenig Menschen vor“. Aber auch die Alternative – Publizistik und Soziologie – „war nicht das Wahre“. Im dritten Versuch studierte er VWL, schloß sein Studium im Schnellverfahren ab, um überhaupt ein Examen in der Tasche zu haben.

Bei seinem einjährigen Ausflug nach dem Examen in den Journalismus stellte er fest, daß diejenigen, die seinen Traumjob hatten – Wirtschaftsressortleiter bei Zeitungen wie der FAZ,NZZ oder bei der Süddeutsche Zeitung, allesamt promoviert waren. Er ging zurück an die Uni, „und da blieb ich hängen“. Als Wissenschaftler arbeitete er fast ausschließlich in Münster und Berlin. „Meine Welt ist eigentlich sehr klein geblieben. Ich wäre gerne an mehr Orten, vor allem in Deutschland, gewesen“, meint er heute.

Als Professor avancierte Ewers zum Experten für Verkehr, Infrastruktur und Umweltpolitik. In Gutachten, die er als Mitglied des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen oder als wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Verkehr schrieb, leistete er sich auch vorsichtige Kritik an der Bundesregierung. Als Gutachter der Berliner Olympia GmbH beurteilte er 1993 den Nutzen der damals geplanten Spiele nicht ohne Skepsis. Im Sommer 1996 trat er als einer der „Umweltweisen“ für eine schrittweise Erhöhung des Benzinpreises auf 5 Mark pro Liter ein. Die Klimapolitik der Regierung ist für ihn nicht existent („welche Klimapolitik?“), und das Duale System („seit einem halben Jahr beschäftige ich mich mit Müll“) sei von der Konstruktion her ein Fehler. Denn Monopole ohne Wettbewerb sind ihm ein Graus, wie wir wissen.

Sein Vorgänger im TU-Präsidentenamt fuhr gern im Einerkajak auf den Wasserwegen spazieren, erinnerte Ewers in seiner Antrittsrede. Der neue Präsident präsentiert sich selbst eher als geselliger Typ: Im großherrschaftlichen „Land- und Golf-Club“ am Wannsee schwingt er den Schläger und „fädelt danach bei einem Glas Wein auch schon mal was ein“.

Berlin, das ist für ihn „in den nächsten fünfzehn Jahren die spannendste Stadt, die Europa zu bieten hat, auch weil hier der Wind schärfer um die Ecken weht. Und ich liebe das Streiten.“ Aber manchmal sehnt er sich schon zurück in die beschauliche Universitätsstadt: „Denn da“, so findet der Unipräsident, „da laufen Sie nicht so schnell Gefahr, als Professor gleich geduzt zu werden.“