Allerstscheißestes Ende

Keine Spur vom rheinischen „Jönne könne“: 1. FC Köln fieselt den nachbarlichen Meisterschaftsanwärter Bayer Leverkusen mit 4:0 ab  ■ Aus Köln Bernd Müllender

Sie waren gedemütigt worden, veralbert, abgeschossen. 0:4 beim Nachbarn. Welche Schande. Wo man doch gerade in Köln zeigen wollte, was hohe Fußballkunst ist. Warum man zuletzt zu Recht so gelobt worden war. Und dann diese merkwürdig leidenschaftslose Vorstellung. Wenn etwas schief gehen kann, geht es schief. Das hier ging schiefer.

Angefangen mit dem Torwart, Meisterschaftskandidat Heinen. Gleich nach zehn Minuten ließ der einen Ball wie Jürgen Klinsmann vom Fuß flippern und läutete mit diesem Fehler der Saison und dem anschließenden Notfoul die Niederlage ein. Weiter ging es mit dem Stopper, Meisterschaftskandidat Wörns, kurioserweise einer von Bertis Leuten, der sich vom Polster Toni in Serie düpieren ließ wie ein Bub, so daß der seltsame Österreicher jetzt zum zweiten Mal in Serie drei Tore geschossen, nunmehr 21 Treffer gesammelt hat und womöglich dem Ulf Kirsten (22 Saisontreffer, im Saisonabschlußspiel gelbgesperrt) noch die Torschützentrophäe rauben wird.

Das Mittelfeld wurde von Coach Christoph Daum mehrfach während des Spiels auf allen Positionen wie in einem Reigen durchgetauscht, so daß keiner mehr wußte, wo spielen. Meisterschaftskandidaten wie Zé Elias und Rydlewicz, auch der vielgelobte Niko Kovac spielten im komischerweise nicht ganz gefüllten, aber stolz für ausverkauft gemeldeten Stadion eher wie aufgeregte Schulbuben vor dem Abiturabschlußmatch gegen das Lehrerkollegium.

Und der Meisterschafts-Angriff vergab die wenigen Torchancen absteigerwürdig. Alle haben sich kampfesarm ziemlich dumm angestellt, wenn nicht gar grottendumm. „Wie in einer Statistenrolle“ sei man, nannte es kleinlaut Christoph Daum, „vorgeführt worden.“ Man habe „nicht viel zu einem Fußballfest beigetragen“. Die Kölner fanden: Genau das Richtige, nämlich Passivität. Die dargebrachte Leistung will der Exlautsprecher Daum jetzt kleinlaut „intern hinterfragen“.

„Nichts ist scheißer als Platz 2.“ Diese große Weisheit ihres stürmenden Starphilosophen und Maastrichter Metzgerssohnes Erik Meijer war eingetreten, als unumstößlich allerstscheißeste Situation: Und trauernd und weinend hockte der nette Meijer nach dem Abpfiff im Mittelkreis und ließ sich von allen Kölner Kollegen einzeln und persönlich mit Handschlag und umarmend kondulieren.

Noch schöner als der eigene Kantersieg war den Kölschen Fans der Spott. „Bayer 04 – soviel Geld und niemals Meister“ höhnte ein Plakat vom Oberrang. Und die Fans sangen: „Steht auf, wenn ihr die Schale wollt“, was irgendwie unverständlich war, weil die Leverkusener Fans ohnehin in den Stehplatzblock gepfercht waren und selbst bei nachhaltigstem Aufstehen Platz 1 nicht mehr erreichbar war. Aber vielleicht war das ja schon der Witz.

Der neidgeplagte 1. FC Köln hat mit dem Sieg über den aufmüpfigen Konkurrenten von der schäl sick die bösen Bayern zum Meister gemacht. Damit wurde schon das hohe rheinische Prinzip vom „Jönne könne“ (Gönnen können) schmählich ignoriert. Nur um einen aufstrebenden Nachbarn zu düpieren, darf man sich nicht derart gemein an rheinischer Lebensart vergehen. Daß diese komischen rot-weißen Fans dann aber auch noch schadenfroh jedes Bayern- Tor in wahren Freudeskaskaden extasehaft bejubelten, hat sie aus der Gemeinschaft der Wohlmeinenden und Aufrechten vorläufig ausgeschlossen und weit ins fußballideologische Abseits gestellt. Das mag typisch FC sein, aber nicht fc (footbally correct).

Heiß gemacht hatte Coach und Motivator Peter Neururer seine FC-Kicker – gegen seinen Lieblingsfeind, Christoph Daum. Dann mußte er nachher lippenknabbernd, lockenzupfend, nasebohrend und schnäuzkraulend auf seinem Tribünchen bei der Pressekonferenz warten und warten und warten, weil das Fernsehen diesen Daum und nicht ihn, den Triumphator, den Sieger, ohne Ende interviewte. Eine Frechheit! Dann endlich, 18.07 Uhr, begegnete man sich, Neururer ließ Daum sich über den sicheren zweiten Platz freuen („Wir haben heute die Champions League gesichert!“), stellte das mit der innigen Feindschaft wahrheitswidrig als wahrheitswidrige Medienerfindung in Abrede, um seinen Oberlippenbartkollegen dann so zu korrigieren: „Meine Glückwünsche zur Teilnahme an der Qualifikation für die Hauptrunde der Champions League.“

Was unser Lob ernten soll für eine nette Gemeinheit am Rande. Ansonsten aber soll Peter Neururer froh sein, daß Jürgen Klinsmann gen Genua verschwindet. So nämlich wie dieser mit seinen häßlichen Werbelogos zugepiercte und zweifelsfrei abschreckendst gekleidete Trainer der Liga rumläuft, muß er froh sein, daß ihn Klinsmann vorläufig nicht mehr für eine Litfaßsäule halten kann. Bernd Müllender

Leverkusen: Heinen – Nowotny – Wörns, Happe – Lehnhoff, Ramelow, Zé Elias (34. Rydlewicz), Sergio (82. Neuendorf), Nico Kovac – Meijer, Kirsten

Zuschauer: 48.000; Tore: 1:0 Polster (11./Foulelfmeter), 2:0 Dziwior (45.), 3:0 Polster (60.), 4:0 Polster (85./Foulelfmeter)

1. FC Köln: Kraft – Kostner – Baumann, Schmidt – Braun (86. Zdebel), Hauptmann, Oliseh, Munteanu (77. Kohn), Dziwior – Vladoiu (51. Gaißmayer), Polster