Hilfsmüllers Traum

■ Aus der Mühle am Wall wird ein Café-Bistro mit Biergarten

Eine 140 Jahre alte, stadteigene Mühle steht in citynaher Parklandschaft dumm rum, wird als Fahrschule genutzt. Auf welche Idee verfallen wohl die Städteplaner? Erlebnisgastronomie mit Großaquarium?

Haarscharf. Dreieinhalb Jahre rang man in Bremen um ein Konzept, gestern wurde per feierlicher Unterschrift bestätigt: In die alte, innerlich bröselnde Mühle in den Wallanlagen kommt ein Café-Bistro mit Biergarten (leider ohne Aquarium). Mit drei verschiedenen Espressosorten, stets frisch gebrühtem Kaffee, sogenannten „pfiffigen a-la-carte-Gerichten“, abendlichen Longdrinks bei Kerzenlicht. Und im Obergeschoß sollen „Unternehmermenues“stattfinden. Der fein-ersonnene Name: Kaffeemühle.

Frau Stratmann, die den Wirtschaftssenator vertrat (um nicht zu sagen: überflüssig machte), sprach zur Unterschriftsleistung unter den Pachtvertrag einen Satz, der es verdient, festgehalten zu werden: „Das neue Café soll das I-Tüpfelchen auf dem I der Innenstadt sein.“Der künftige Gastronom bedankte sich artig jedoch zu allererst bei der errötenden Frau Stenzel, indem er sachlich richtig feststellte: „Ohne meine Mutter stünde ich heute nicht hier.“Die Familie Stenzel fiel bislang in Bremen hauptsächlich mit einem Eisenwarengeschäft in der Osterstraße auf.

Jörg Stenzel ist ein Mensch, den man „süß“zu nennen kaum umhinkommt. Die blonden Strähnen jungenhaft in die Stirn gekämmt (36 Jahre jung), die blaugrauen Mandelaugen weltläufig in die Ferne gerichtet (im „Marriotts“Hotelmanagement in New York gelernt), das kampferprobte Kinn („ich habe 3 1/2 Jahre um meine Selbständigkeit gekämpft“) bis zur Nase gereckt, den drahtigen Oberkörper in einem mutig-gelben Hemd verborgen – der ganze Auftritt signalisiert: „Ich bin stolz!“

Und sogar lieben muß man den gelernten Hotelkaufmann (Parkhotel!), Koch (Sporthotel Hetzel am Schluchsee) und nunmehrigen Pächter der mit drei Millionen Mark Staatsknete zu renovierenden Immobilie für die Auskunft, daß er höchstpersönlich in der winzigen Obergeschoßwohnung der Mühle wohnen wird. Um sich ums Mahlwerk zu kümmern, getreu dem Pachtvertrag, der ihm das regelmäßige Bewegen der Mühlenflügel auferlegt. Damit Festrosten oder aber -rotten verhindert wird. Zur optimalen Vorbereitung wird Jörg Stenzel wahrhaftig einen Lehrgang zum Hilfsmüller absolvieren.

Eins ist heute schon sicher: Es wird ein Idyll sein, wie es idyllischer innerstädtisch kaum denkbar ist. Der Blick fällt aus dem beschatteten Auge auf den lasziv hingestreckten, von Entenfamilien bedeckten Wallgraben. Auf den zwischen gepflegten Primelrabatten ruhenden Penner. Man wird Gegrilltes zu sich nehmen unter Linden. Vögel werden im Chor mit den Autoreifen auf dem Pflaster der Straße Am Wall singen.

Und wenn alles gutgeht, wenn die Mühle im kommenden Frühjahr eröffnet, werden die Menschen der Stadt einen Trampelpfad trampeln, vom Bahnhof durch die Wallanlagen zum immer noch mißachteten Hanseatenhof mit seinen darbenden Läden, und ihnen werden Touristenströme folgen. Um an einem Tag in der Stadt zu lassen, was die Stadt insgesamt in die Kaffeemühle steckt. BuS