Bernd Neumann und die Wehrmachtsausstellung

■ Über das rein rhetorische Talent des CDU-Chefs und seine alte Neigung, „Bücher zu verbrennen“Helmut Donat

Der Bremer Verleger Helmut Donat hat einen Band „Befreiung von der Wehrmacht? Dokumentation der Auseinandersetzung um die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht“herausgegeben und darin selbst die Polemik des CDU-Landesvorsitzenden Bernd Neumann analysiert. Neumann läßt sich selbst überhaupt nicht auf das Thema ein, so kritisiert Donat, sondern verweist nur auf Stellungnahmen anderer, angeblich ausgewiesener Fachleute – und wenn dann seine „Fachleute“in Zweifel gezogen werden, wiederholt Neumann seine pauschalen Formeln, ohne sich mit den Gegenargumenten auseinanderzusetzen. Selbst der interne Leitfaden des Bundesverteidigungsministeriums setzt sich sachlicher mit der Ausstellung auseinander.

Diese Art, von seinem rhetorischen Talent Gebrauch zu machen, hat Donat an einen Vorfall erinnert, der einige Jahre zurückliegt und den der Bremer Verleger in seinem Aufsatz in Erinnerung ruft. Wir dokumentieren aus dem Donat-Aufsatz diese Passage:

Bernd Neumann verhält sich heute kaum anders, als in der Debatte vom 3. November 1977, als ihm der SPD-Abgeordnete Heuer vorhielt: „Herr Neumann, ... (Sie) liefern ... uns hier ein Schauspiel von Arroganz, Intoleranz und politischer Effekthascherei, wie wir es in Weimar kennengelernt haben und das meines Erachtens einer der Gründe mit war für den Untergang der Demokratie von Weimar.“Und der SPD-Abgeordnete Kähler fügte wenig später hinzu: „Sie haben angegriffen und dann verunglimpft, und jeder, der widerspricht, wird von Ihnen in Bausch und Bogen mit verunglimpft! Herr Neumann, wissen Sie, so kann man die Gemeinsamkeit nicht herstellen ... Alles, was Sie sagen, ist zu überprüfen, weil Sie immer unglaubwürdiger werden. Durch Beschimpfung und Verunglimpfung können Sie den Wahrheitsbeweis nicht antreten, Herr Neumann. Wie Sie prüfen, wie ernsthaft Sie prüfen, das haben wir bei einer anderen Affäre schon einmal in diesem Hause erlebt. Wir glauben Ihnen nicht mehr!“Damals ging es um Vorwürfe Neumanns gegen eine angeblich den Terrorismus verteidigende Bremer Deutsch-Lehrerin. Sie hatte in einer Unterrichtsreihe zum Thema „Gewalt“das Gedicht „Die Anfrage“des 1938 aus Deutschland emigrierten jüdischen Schriftstellers Erich Fried behandelt, das nach Meinung der CDU eine Verherrlichung terroristischer Gewalttaten und eine „Verleitung zur politischen Gewalt“darstellen sollte. In dem Gedicht schilderte Fried, wie es nach seiner Meinung zur Bildung der Bader-Meinhoff-Bande kam und bezog dabei den politischen Hintergrund der bundesrepublikanischen Gesellschaft ein. Mit dem Hinweis auf die Stammheimer Urteile ließ er das Gedicht folgendermaßen enden: „Aber Anfrage an die Justiz betreffend die Länge der Strafen: Wieviel Tausend Juden muß ein Nazi ermordet haben, um heute verurteilt zu werden zu so langer Haft?“

In der Terrorismusdebatte der Bremischen Bürgerschaft vom 3. November 1977 warf Neumann dem von den Nazis verfolgten Dichter die Verherrlichung von „Terrorismus und Mord“vor und forderte vom Senat, daß sein Gedicht nicht im Unterricht behandelt werden dürfe und Maßnahmen gegen alle Verantwortlichen zu ergreifen seien. Als Neumann schließlich noch auf weitere Gedichte Frieds verwies, unterbrach ihn der Zwischenruf, daß man sie alle im Zusammenhang mit dem Schicksal des jüdischen Emigranten sehen müsse. Darauf Neumann: „Es ist für mich uninteressant in diesem Fall, wer woher kommt und wer was erlebt hat“. Wenig später rief Henning Scherf dazwischen: „Sie stehen in der Tradition nationalsozialistischer Bücherverbrenner!“Neumanns Antwort darauf nach einem weiteren Zuruf des SPD-Abgeordneten Konrad Kunick: „Ja, Herr Kunick, so etwas würde ich lieber verbrannt sehen, das will ich Ihnen einmal ganz deutlich sagen!“Als Horst-Werner Franke, damals Senator für Wissenschaft und Kunst, ihn aufforderte, den Satz zu korrigieren, „weil er ein ganz schlimmer Satz ist“, rief ihm Neumann zu: „Welcher denn?“Und so mußte er sich von Franke sagen lassen: „Herr Neumann, Sie haben den einen Satz gesagt, Sie hätten dieses Gedicht am liebsten verbrannt. Herr Neumann, Literatur, und das ist auch Literatur – ja, das ist auch Literatur, es gibt eine abscheuliche Literatur, und sie bleibt trotzdem Literatur –, Literatur, Herr Neumann, soll in diesem Land nie wieder verbrannt werden!“Auch nach der Debatte blieb Neumann dabei, daß er das Gedicht „lieber verbrennen würde“, ehe er es zur Grundlage des Unterrichts machte. Zugleich bestand er darauf, daß er keineswegs der Bücherverbrennung das Wort geredet habe.