Kunterbunter Obstsalat

Das Velodrom an der Landsberger Allee wird höchstens zu 20 Prozent durch Sportveranstaltungen getragen. Radrennen sind Beiwerk  ■ Von Matthias Fink

Der französische Architekt Dominique Perrault, von dem auch die Pariser Nationalbibliothek stammt, hat eine „Mehrzweckhalle“ am Ringbahnhof Landsberger Allee entworfen. So heißt das Gebäude auf der Info-Tafel vor der Großbaustelle. Als der erste Teil des Hallenkomplexes Ende Januar erstmals seine Pforten öffnete, hieß er schon „Velodrom“. Vor allem Radsportveranstaltungen werden darin stattfinden, auf einer 250 Meter langen Rennstrecke. Kreisrund guckt das riesige Dach aus dem künstlichen Hochplateau heraus. Die Bahn selbst ist aber doch in der für Arenen üblichen Ovalform gehalten. Die Mitte wird je nach Bedarf möbliert, mit Logenplätzen etwa oder auch als Spielfeld fürs Schulturnen. Nächste Woche wird dort eine Bühne stehen, und die SchülerInnen kommen ohne Turnzeug und müssen bezahlen. „Caught in the Act“ werden im Velodrom auftreten.

Und die Radler? Hain-Detlef Ewald, CDU-Abgeordneter und Vorsitzender des Radsportclubs Charlottenburg, empfindet es als „Skandal“, daß die drei Berliner Radkampfbahnen gleichzeitig gesperrt sind. Von Sport-Senatorin Ingrid Stahmer (SPD) fordert er, „das Velodrom unverzüglich zur Verfügung zu stellen“. Laut Walter Gebhardt, Bahnfachwart des Radsportverbandes Berlin, geht das nicht. „Ich war heute gerade drin“, erzählte er letzten Dienstag der taz. „Die Maler sind noch da. Man kann davon ausgehen, daß die Halle noch nicht fertig ist.“

Und Klaus Streckebach, Geschäftsführer der Olympia-Sportstätten-Bauten GmbH (OSB), die das Velodrom gebaut hat, betont: „Die Halle wird erst zum 1. August übergeben. Selbst danach laufen noch einzelne Arbeiten.“ Der Name der Firma deutet an, daß sie einst für die – gescheiterte – Olympia-Bewerbung Berlins bauen sollte. 530 Millionen Mark hat der ganze Spaß gekostet, davon 280 Millionen das Velodrom.

In das aufgeschüttete Erdreich pflanzen Gärtner 450 Apfelbäume, in der Normandie ausgegraben. Die Äpfel, aus denen die Franzosen Cidre und Calvados machen, schmecken laut Klaus Streckebach „relativ süß und mehlig“. „Ob der Umfang der Ernte für eine Vermarktung lohnt, ist ein offener Punkt“, spekuliert der Geschäftsführer.

Sein Unternehmen wird die Früchte, die es angebaut hat, nicht mehr ernten können. Vorletzte Woche wurde die Bewirtschaftung des Velodroms von August bis Silvester anderweitig vergeben. Die neugegründete Firma Velomax, getragen vom Gebäudereinigungsbetrieb Gegenbauer, der Immobilienfirma Otremba und der Konzertagentur Schwenkow, erhielt einen „Geschäftsbesorgungsvertrag“ für Velodrom und Max- Schmeling-Halle. 1998 soll ein „Betreibervertrag“ folgen. Nur ein formaler Unterschied? „Mit dem heute unterzeichneten Vertrag mit Velomax ist noch keine endgültige Regelung über den Betreiber getroffen worden“, ließ Ingrid Stahmer nach ihrer Unterschrift verlauten. Das Land zahlt der Firma die Betriebskosten – für das Velodrom rund 4 Millionen jährlich – und Entgelte für den Schul- und Vereinssport. Für 1998 fließen auf diesem Weg knapp 13 Millionen Mark Staatsknete an den Betreiber.

Umstände bei der Nutzung verursacht gerade die Radrennbahn selbst. Das schöne Fichtenholz ist so empfindlich, daß Bahnfachwart Walter Gebhardt bei den Verhandlungen über die Radelei vorgesorgt hat. Man habe zu verhindern gewußt, daß „Anfänger kommen und alles kaputtmachen“. Bei anderen Veranstaltungen soll die Piste „überstuhlt“ werden, um den Innenraum mit den 6.000 Tribünenplätzen zu verbinden. Beim Internationalen Reit- und Springturnier im November soll es so etwa 8.000 Sitzplätze geben. „Wir rechnen für die vier Tage mit vollem Haus“, sagt Jürgen Kießling, für Sport zuständiger Abteilungsleiter in Stahmers Senatsverwaltung, der bei den Akquirierungen mitgewirkt hat.

Im Juni finden die Berliner Radsportmeisterschafen im Velodrom statt, erstes Groß-Event nach der „richtigen“ Eröffnung werden im September die Europameisterschaften im Bahnradsport sein. Den Sportanteil an den kommerziellen Veranstaltungen – „es gibt eine sehr positive Nachfrage“ – schätzt Kießling indessen nur auf 15 bis 20 Prozent. „Das ist wirtschaftlich gesund für die Hallen. Pro Jahr 100 bis 110 gewinnbringende Veranstaltungen, das wäre ein geschäftlicher Erfolg.“

Siehe auch Artikel auf Seite 33