Bosnier machen sich für Michael Steiner stark

■ Bonn lehnt Diplomaten als Bosnien-Beauftragten ab. Angst vor Verantwortung

Sarajevo (taz) – Die Bevölkerung Sarajevos ist enttäuscht. Noch bevor die Entscheidung über die Nachfolge von Carl Bildt als Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien- Herzegowina verkündet wird, hat sich das Ergebnis herumgesprochen. Seit Tagen steht fest, daß der deutsche Diplomat Michael Steiner von dem Lenkungsausschuß der Friedensimplementierungskonferenz nicht zum Nachfolger Carl Bildts bestimmt wird, sondern der frühere spanische Außenminister Carlos Westendorp. Seit Montag versuchten die Medien in Sarajevo, Steiner zu unterstützen. Für das Amt gebe es keinen besseren Kandidaten, hieß es in der Zeitung Oslobodjenje. Steiner wisse um die Lage in Bosnien, ein völlig neuer Mann bräuchte Zeit, um sich einzuarbeiten, hieß es in Kommentaren. In der Altstadt haben sich mehr als 7.000 Menschen in eine Liste eingetragen, die an den deutschen Außenminister Kinkel übermittelt werden soll, um doch noch eine Pro-Steiner-Entscheidung zu erzwingen. Denn es ist durchgesickert, daß es vor allem die Deutschen sind, die einer Kandidatur Steiners widersprochen haben. Aus Kreisen von in Bosnien tätigen Diplomaten verlautete, daß Kanzler Kohl und Außenminister Kinkel die Arbeit Steiners schätzten, jedoch vor der Verantwortung für Deutschland, die sich aus der Kandidatur Steiners ergibt, zurückschreckten. Ein Mitglied des außenpolitischen Ausschusses des Bundestages, Josef Vosen, verwies zudem auf die finanziellen Belastungen für Deutschland im Rahmen eines solchen Engagements. Der Abzug der SFOR-Truppen fiele zudem in die Zeit des Bundestagswahlkampfes. Bei einem Scheitern der internationalen Mission könnte außenpolitischer Schaden entstehen, fürchtet nach Meinung von Insidern die Bundesregierung.

Dagegen hat Steiner die volle Unterstützung der USA erhalten. US-Diplomaten und Journalisten bedauern deshalb die Haltung Bonns und kritisieren, daß Deutschland vor der Übernahme der Verantwortung zurückschrecke. Der deutsche Diplomat habe wie kein anderer Ansehen in der Bevölkerung erworben. Dagegen äußern sich französische und britische Diplomaten vorsichtig. Auch der ehemalige britische Außenminister Michael Portillo hat sich für den Posten interessiert, ist aber auf den Widerstand der USA gestoßen. Vor dem Besuch der amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright in Sarajevo haben die USA ihren eigenen Kandidaten präsentiert. Der bisherige Koordinator der internationalen Gemeinschaft in Ostslawonien, Jaques Klein, soll zum Stellvertreter des Hohen Repräsentanten ernannt werden. Erich Rathfelder

Kommentar Seite 10