Das Rückgrat des Hafens

Barkassen für Individualisten, Luxuskähne für große Touri-Gruppen: Der Wettbewerb rund um die Hafenrundfahrt  ■ Von Corinna Wiechmann

„Junger Mann, wollen Sie nicht mitfahren?“Alle 20 Sekunden hört Gerd W. aus München diese Frage. Hafenrundfahrt satt: Schiffe stehen in einer Reihe, wie Taxis vor dem Bahnhof; fährt eins ab, zieht das andere nach. Das Programm des Bayern ist hart, Hamburg in zwei Tagen: „Wenn ich schon mal hier bin, will ich auch den Hafen sehen“, meint der 32jährige. Die Rundfahrtkapitäne führen einen stimmgewaltigen Kampf gegen den Wind um Gerds Ticket. Der Wettbewerb an den Landungsbrücken ist hart.

Barkassenbesitzer Hans-Joachim Neuy sieht sich als Opfer des Konkurrenzkampfs: „Die Großen schnappen uns die Kunden weg“, jammert er, „die haben einen Komfort in ihren Kähnen, den wir gar nicht bieten können.“Neuy hat Angst, verdrängt zu werden. „Der Kuchen wird nicht größer, aber die Stücke immer dünner.“

Die Hamburger Tourismuszentrale ist anderer Meinung. Das Geschäft boome, die Zahl der Touristen steige, von Stillstand sei keine Rede. Immerhin gebe es über eine Million Hafenrundfahrten pro Jahr. Und das sei auch auf das Musical „Cats“zurückzuführen. Seither seien Reeperbahn und Hafen wieder gesellschaftsfähig.

„Die Touristengruppen werden immer größer“, hat auch Barkassenkapitän Wolfgang Lück beobachtet. Barkassen böten nicht so viel Platz für all die Leute. Außerdem hätten auch die Barkassen ihren Vorteil, „immerhin kommt man nur mit ihnen in die Speicherstadt. Das ist unser Gebiet.“

1988 sahen die Landungsbrücken das erste große Schiff, die „Hamburger Deern“von Barkassen-Meyer. „Der Bedarf war einfach da“, sagt Ruth Junkers, Geschäftsführerin des Betriebes. „Man muß mit der Zeit gehen“, betont sie. „Die Leute wollen mehr Luxus. Sie wollen am Tisch sitzen und bedient werden.“Restaurantservice müsse eben sein, und ein Fernseher sei auch an Bord. Das Barkassengeschäft läuft bei Meyer zusätzlich, „das geben wir bestimmt nicht auf“, sagt Junkers.

„Die Barkassen sind das Rückgrat des Hafentourismus“, meint auch Kapitän Detlev Winkelmann. Er fährt für die Reederei Kai Abicht, drei große Fahrgastschiffe und 13 Barkassen besitzt die. Mit den dicken Schiffen würde eine ganz andere Klientel angesprochen, erklärt Winkelmann, vor allem Firmen charterten die „Großen“für Bordpartys und Konferenzen. „Dafür waren die Schiffe ja gedacht.“Hafenrundfahrten lasten sie nicht aus. Das Chartergeschäft macht sie erst rentabel.

Doch auch bei Hafenrundfahrten haben die Großen Vorteile: „Wir können problemlos Behinderte transportieren, was in den Barkassen sehr umständlich ist“, betont Winkelmann. „Außerdem sitzen ältere Leute gern auf einem großen Boot. Sie denken, das sei sicherer.“

Den Unmut der Barkassenkapitäne versteht Winkelmann nicht recht: „Vielleicht liegt es daran, daß wir jüngeres Personal beschäftigen und uns besser auf die Wünsche der Kunden einstellen. Wir sind eben eine neue Generation.“

Gerd W. aus München ist da anderer Meinung. Er findet die großen Schiffe einfach häßlich. „Die versperren mir die Sicht auf die Elbe.“Sagt's, beißt in sein Fischbrötchen und setzt sich in eine Barkasse.