Gesundheitsladen überrollt?

■ Bremen bekommt im Herbst eine offizielle Patientenberatungsstelle / Die Arbeit im Selbsthilfeverein „Gesundheitsladen“wird ignoriert und der Verein finanziell ausgehebelt

enn das Pflegepersonal PatientInnen schikaniert, wenn statt des rechten das linke Knie operiert wird, wenn man den Bremer Spezialisten für Hühneraugen nicht finden kann: Über alles das sollen künftig ein bis zwei BeraterInnen neutral und unabhängig informieren. Noch in diesem Jahr soll Bremen eine eigenständige Patientenberatung haben – getragen und akzeptiert von allen maßgeblichen Institutionen im Gesundheitsbereich. Das gaben gestern auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz Gesundheitssenatorin Tine Wischer (SPD) und VertreterInnen der Ärztekammer, der Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaft bekannt.

Noch in diesen Tagen wird ein Förderverein gegründet; im Herbst soll die neue Beratungsstelle dann im Zentrum der Stadt ihre Arbeit aufnehmen, mit einem Etat zwischen 200.000 und 300.000 Mark. Doch schon gibt es Ärger und Proteste: Eine entscheidende Interessensgruppe, so die Kritik aus der Selbsthilfeeinrichtung „Bremer Gesundheitsladen“, werde bei der Gründung der neuen Patientenberatungsstelle nicht gehört: die PatientInnen selbst.

Eine Kritik, die auf offizieller Seite kein Gehör findet: Mit der neuen Patientenberatungsstelle werde, was am Sankt-Jürgen-Krankenhaus vor ein paar Monaten im Alleingang begonnen wurde, nun zentral und ungebunden für alle Krankenhäuser eingerichtet.

Wichtigstes Ziel der Beratungsstelle sei es – neben allgemeiner Information über Behandlungsmöglichkeiten – Beschwerden von PatientInnen über Ärzte und Pflegepersonal an den Krankenhäusern oder auch Angestellte in den Krankenkassen an die betreffenden Stellen weiterzuvermitteln. Dabei werde sich die Beratungsstelle, die auch räumlich an keinen der Träger angebunden sein soll, eine „Anwaltsfunktion für die Patienten“übernehmen, so Ursula Auerswald, die Präsidentin der Ärztekammer.

Genau dies wird von Edeltraud Paul-Bauer, die im Bremer Gesundheitsladen die PatientInnenstelle führt, bezweifelt: „Hier sagen die Leistungsanbieter, wir kontrollieren uns selbst.“Edeltraud Paul-Bremer äußerte ihr Unverständnis darüber, daß keine Anstrengungen unternommen worden seien, PatientInnen an der Vereinsgründung zu beteiligen. Dies aber habe sie seit zwei Wochen versucht, indem sie für den morgigen 10. Juni zu einer Diskussionsrunde über Modelle einer „unabhängigen Patienten-Unterstützungsstelle“aufgerufen habe: Hier sollten vor allem auch politische Ansprüche, wie die Beteiligung von PatientInnen in den Selbstverwaltungsgremien von Krankenkassen und Ärztekammer, thematisiert werden.

Anscheinend sei daraufhin, so Edeltraud Paul-Bauer gegenüber der taz, die Pressekonferenz der Gesundheitsträger im Eilverfahren und ohne daß bisher auch nur eine Vereinssatzung der neuen Beratungsstelle existiere, durchgezogen worden. Eine solche „Unterstellung“nannte Senatorin Tine Wischer „ganz ungeheuerlich“.

Mit Einführung des neuen Vereins wird die PatientInnenberatung im Gesundheitsladen von der Gesundheitssenatorin nicht mehr unterstützt werden. Man erwarte, so Tine Wischer, daß der künftige Trägerverein „mehr Akzeptanz“durch alle beteiligten Gesundheitseinrichtungen erhalte. Frau Paul-Bauer – die 1996 bei vier Wochenstunden 600 Anfragen und Beschwerden bearbeitete – wird vorgeworfen, sie habe zu wenig Kontakt zu den Institutionen gepflegt. ritz