Waschungen im Stechschritt

■ Koffi Kôkô verbindet mit D'une Rive a l'Autre beim Internationalen Sommertheater Festival animistische Nago-Riten mit Modern Dance

Schon als Kind lernte er tanzen. Doch nicht zum eigenen Vergnügen, sondern um die Ahnen zu ehren. So wurde er frühzeitig in die traditionellen Bewegungsabfolgen der animistischen Nago-Riten von Benin eingeweiht, um wie seine Vorfahren die Verbindung zur spirituellen Welt aufrechtzuerhalten. Heute lebt der Tänzer, Choreograph und Musiker Koffi Kôkô in Paris und hat Elemente des Modern Dance in die religiös fundierten Tanzformen seiner afrikanischen Heimat integriert.

Seit 1990 arbeitet Koffi Kôkô mit zahlreichen Tänzern und Choreographen aus aller Welt zusammen. Seinem Heimatland bleibt er trotzdem treu: 1995 wurde er zum Leiter des Nationalballetts von Benin ernannt. Mit der Flamencotänzerin Maricarmen García hat er ein Jahr später die Compagnie Carmen-Kôkô gegründet. Das Duo will eine gemeinsame Essenz aus dem streng ritualisierten Flamenco und dem leichtfüßigen afrikanischen Tanz herauskristallisieren. In Frankreich ist das ungleiche Paar schon aufgetreten, in Hamburg wird Koffi Kôkô solo „von einem Ufer zum anderen“tanzen.

Aufgewachsen ist er in Benin, einem Land westlich des Nigerdeltas, dessen traditionelle Tänze von Voodoo-Zeremonien zwischen Trance und Ekstase geprägt sind. Die Initiationsrituale des Voodoo hatte Kôkô 1992 in den Mittelpunkt seiner Inszenierung Passage gestellt. Die im Rahmen des Internationalen Sommertheater Festivals in Hamburg zu sehende Choreographie D'une Rive a l'Autre orientiert sich inhaltlich an der leidvollen Geschichte Benins seit seiner Kolonialisierung im 18. und 19. Jahrhundert. Damals machten die weißen Herrscher des British Empires das einstmals künstlerisch hochentwickelte Land zum führenden Zentrum des Sklavenhandels in Afrika. Die dabei erlittene Demütigung und Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung will Koffi Kôkô tänzerisch ebenso ausdrücken wie ihren Willen zur Selbstbehauptung und Aufrechterhaltung der Traditionen.

Auf der Biennale in Lyon trat Kôkô bereits 1994 mit diesem Stück auf. In geschmeidigen, wellenförmigen Bewegungen, die er im Zeitlupentempo ausführte, beschwor er die Kraft animistischer Rituale herauf. Alltägliche Handlungen wie das Waschen des Gesichts konterkarierte er mit dem Stechschritt der Kolonialregierung. Und die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung setzte er tänzerisch in die Unterwerfungsgeste eines gebückt gehenden alten Mannes um, der dem Publikum wie ein Bettler die Scherben einer zerbrochenen Schale hinhielt.

Als deutsche Erstaufführung zeigt Kôkô seinen Solotanz ab Samstag auf Kampnagel. Begleitet wird der hochgewachsene Tänzer und Musiker von drei Percussionisten, als Quartett geben sie außerdem Freitag- und Samstagnacht ein Konzert traditioneller Musik aus Benin.

Karin Liebe Samstag, 16. August bis Montag, 18. August ,21.30 Uhr, Kampnagel k2