Lächeln verboten

■ Richter verglich den Afrodeutschen Alexander N. mit Neonazi Deckert

Viel ist zur Zeit die Rede von RichterInnen, die mit einem „Herz für Verbrecher“Angeklagte zu milde bestrafen sollen. So besehen hat der Richter am Landgericht Dieter Kawlath das Herz auf dem rechten Fleck. Er erklärte gestern sämtliche schwarzafrikanischen ZeugInnen für unglaubwürdig und verurteilte den Afrodeutschen Alexander N. „Wie sollen die sich ein Jahr nach der Tat noch an Details erinnern können?“Einem einzelnen deutschen Polizisten traute er offenbar mehr Gedächtnisleistung zu. Allein auf dessen Aussage nämlich stützte er die Verurteilung wegen Verleumdung sowie wegen Verletzung des Versammlungs- und des Bannmeilengesetzes.

Alexander N. ist für Kawlath nur „der Funktionär“. Als solchem sei ihm alles zuzuschreiben, was am 13. Juni 1996 auf einem Trauermarsch durch die City geschah. Den hatte Alexander N. angemeldet, nachdem der junge Schwarzafrikaner Jude Abubaka aus Angst vor einer Polizeikontrolle aus seiner Harburger Flüchtlingsunterkunft in die Elbe gesprungen und ertrunken war. Die Demo lief statt um den Hauptbahnhof herum durch die Wandelhalle hindurch.

Vorwurf Nummer eins: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Punkt zwei: Undistanziert habe Alexander N. die Aussage eines Flüchtlings über Lautsprecher übersetzt, die Polizei habe Jude A. Drogen untergeschoben. Punkt drei: Dann soll er dazu aufgerufen haben, zum Rathaus und damit in die Bannmeile zu gehen.

Alexander N., in der ersten Instanz noch in Landestracht und mit politischer Erklärung angetreten, saß gestern dezent gekleidet und schweigend auf der Anklagebank. Zuckte nicht mit der Wimper, als Kawlath einem afrikanischen Zeugen einen Widerspruch unterstellte, indem er ihm vorknallte: „Aus meinem europäischen Kulturverständnis heraus verstehe ich unter Gedenken Schweigen.“Hörte sich ruhig an, wie der Richter ihm erklärte, wenn Alexander N. Aussagen eines Flüchtlings übersetze, dann sei er wie der Neonazi Christian Deckert – „der hat auch nur Texte von anderen übersetzt“.

Sprachlos lauschten auch die ZuschauerInnen. Selbst das aber war Kawlath zuviel. Plötzlich schrie er einen Zuschauer an: „Sie hören sofort auf zu lächeln!“ Elke Spanner