Stolz von Schichau-Seebeck muß ins Dock

■ Das Bugruder der neuen Ostsee-Fähre „Mecklenburg-Vorpommern“muß erneuert werden / Der Schaden geht in die Millionen und belastet den Überlebenskampf der Bremerhavener Werft

Die um ihr Überleben kämpfende Schichau-Seebeckwerft (SSW) in Bremerhaven muß einen weiteren Schlag verkraften. Das im Dezember ausgelieferte Fährschiff „Mecklenburg-Vorpommern“muß für mindestens drei Wochen ins Reparatur-Dock. Der Schaden für die im Konkurs operierende Werft dürfte in die Millionen gehen.

Die Werft muß ein größeres Bugruder einbauen, weil das bisherige die 200 Meter lange Fähre beim Rückwärtsfahren nicht sicher auf Kurs hält. „Das ist nicht für eine Mark zu haben“, sagt Werft-Sprecher Lothar Heuer. SSW als Generalunternehmer müsse die Last zunächst übernehmen. „Uns entstehen keine zusätzlichen Kosten“, sagt der Geschäftsführer der Deutschen Fährgesellschaft Ostsee (DFO) Dietmar May. Vom Kaufpreis des Schiffes (140 Millionen Mark) habe man einen Teil vor der Übernahme zur Absicherung „reserviert“.

Das von der Werft als „weltgrößte Kombi-Fähre“angepriesene Schiff geht laut May Mitte November ins Dock und am 14. Dezember wieder heraus. Möglicherweise wird die „Mecklenburg-Vorpommern“danach zum Umbau nach Bremerhaven zurückkehren. „Wir haben mitgeboten“, sagt der Chef der Bremerhavener Lloyd-Werft, Dieter Haake. Lloyd würde nur das Dock zur Verfügung stellen, die Arbeiten würden Leute von Schichau-Seebeck erledigen. Die andere Möglichkeit ist, das Schiff an der Ostseeküste zu reparieren und die Arbeiter dorthin zu fahren.

Viel Freude hat die DFO noch nicht gehabt an ihrem neuen Flaggschiff „made in Bremerhaven“. In seinen Zielhafen Trelleborg kann die „Mecklenburg-Vorpommern“nur rückwärts einlaufen. Wegen des zu kleinen Bugruders ist das 200 Meter lange Schiff aber bei starkem Wind fast manövrierunfähig. „Bei mehr als sieben Windstärken müssen wir das Vorgängerschiff „Rostock“fahren lassen“, sagt DFO-Chef May.

Alle Beteiligten bemühen sich, mit Rücksicht auf die schwierige Situation bei SSW, den Konflikt kleinzuhalten. Das Schiff sei top, sagt May, auch einige Abgasprobleme an der Hauptmaschine hätten die Motorhersteller jetzt im Griff.

Bei dem zu klein bemessenen Ruder handelt es sich um eine völlig neue Technik. Die sei gemeinsam von der Werft mit den Technikern der DFO entwickelt und von der Klassifizierungsgesellschaft Germanischer Lloyd abgenommen worden, heißt es in Bremerhaven. Dabei werden beim Rückwärtsfahren aus dem sogenannten Wulstbug zwei Ruderklappen hydraulisch ausgefahren. Das funktioniere auch, sagt May, allerdings habe die Werft wohl die Fläche der Ruderblätter unterschätzt, die jetzt um 60 Prozent vergrößert werden muß. „Wir wußten über die Leistungsfähigkeit des Bugruders Bescheid“, heißt es vielsagend in Rostock. Im Klartext: DFO macht SSW für den Schaden verantwortlich.

Der Ärger mit dem Bugruder kommt für die ehemalige Vulkan-Tochter SSW zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Weiterhin ist kein Neubau-Auftrag für die Werft und ihre noch 700 Mitarbeiter unter Dach und Fach. Den Auftrag für vier Auto-Carrier im Wert von je 36 Millionen Mark der Bremer Reederei Harms sicherte sich die Hegemann-Gruppe aus Berne. SSW und Harms hätten „preislich nicht zueinandergefunden hatten“, hieß es. SSW-Konkursverwalter Wolfgang van Betteray darf keine Verlustaufträge hereinnehmen.

Die Stahlgewerke seien dennoch gut ausgelastet, weil die SSW Sek tionen für zwei Kreuzfahrtschiffe baut, die bei der Lloyd-Werft verlängert werden. Zur Zeit wird mit dem Land Bremen und dem Arbeitsamt über eine Auffanglösung für die SSW-Mitarbeiter verhandelt, um die Belegschaft für eventuelle Neuaufträge zusammenzuhalten. Die tunesische Staatsreederei Cotunav hat zugesagt, noch in diesem Jahr den Auftrag über den Bau einer neuen Großfähre zu vergeben.

Möglicherweise werden aber die Schichau-Seebeck-Arbeiter auch erstmal arbeitslos. Denn die Neuaufträge akquiriert die neugegründete SSW Fähr GmbH, die außerhalb des Konkurses operiert. Die würde dann die Arbeiter je nach Bedarf wieder einstellen. Ihr Personalkostenbudget würde damit nicht durch nicht benötigte Arbeiter belastet. Joachim Fahrun