■ Das Reformjudentum
: Credo für Pluralismus

Das Reformjudentum entstand in der Zeit der Aufklärung und der napoleonischen Befreiungskriege, als die Verwaltung der Synagogen neu geordnet wurde. Das konservative Judentum gründete sich in Deutschland zur Zeit der bürgerlichen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts. Beiden ist eigen, das Judentum an die neue Zeit anpassen zu wollen. So beten Männer und Frauen gemeinsam. Das Althebräische wird durch die Landessprache ersetzt. Beide Strömungen sind bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten antizionistisch und auf Emanzipation in der jeweiligen Gesellschaft bedacht. Für die Reformer ist jede Synagoge selbständig, jeder Rabbiner der Hohepriester in seinem Tempel. Die Orthodoxen sind in der Auslegung der 613 Gebote der Bibel, die im Talmud zusammenfaßt sind und in einem Gesetzeswerk, der Halacha, gedeutet werden, an die Interpretation des Obersten Rabbinats gebunden.

Die Orthodoxen werfen den anderen Strömungen heute vor, das Judentum verändern und die traditionell-jüdischen Werte aufweichen zu wollen. Als Ausdruck hierfür gelten die Anerkennung von Mischehen, die Zulassung homosexueller und lesbischer sowie nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit dem Segen des Rabbi. Ein zentraler Streitpunkt in Israel ist die Einhaltung der Schabbat-Ruhe, die „Arbeiten“ wie Autofahren, und Telefonieren verbietet. Eine Reihe von Firmen und Banken haben schon ihre Fernsehanzeigen am Schabbat zurückgezogen. Gegenüber dem „religiösen Zwang“ klagen konservative und Reformjuden einen „jüdischen Pluralismus“ ein. Die Zahl ihrer Anhänger in Israel ist statistisch nicht erfaßt. Nach relativ einheitlichen Schätzungen machen sie rund ein Prozent der Bevölkerung aus. In den USA sind von rund sechs Millionen Juden knapp zwei Millionen bei Reformgemeinden eingeschrieben. gb