Das Portrait
: Der aufgespießte Stierkämpfer

■ Jesulin de Ubrique

„Olé, olé, olé ...“. Das Publikum in der Stierkampfarena im südspanischen Villacarillo quitierte jeden Schritt von Jesulin de Ubrique mit Applaus. Plötzlich ein Aufschrei, der Matador hatte einen Moment gezögert, der Stier nicht. Er nahm sein Gegenüber auf die Hörner. Jesulin blieb zwischen den Beinen verletzt liegen. Nur ein Eingriff im arenaeigenen Operationssaal rettet ihn vor dem Verbluten. Prognosen möchte der behandelnde Arzt angesichts der schweren Verletzungen – die Geschlechtsteile wurden völlig zerfetzt – nicht abgeben.

Vorhergesagt hatten es ihm viele: Den Stier knieend erwarten, ein herzhafter Biß in ein Horn, der 23jährige Südspanier ließ keine Gefahr aus, um mit dem Publikum zu kokettieren. Das Pflichtprogramm klassischer Schritte beherrsche er nur leidlich, beklagen die Sachverständigen der hauptstädtischen Presse. Dem Publikum ist das egal. Begeistert von der Kür fordern die Zuschauer vom Platzpräsidenten immer wieder die Ohren des getöteten Tieres für Jesulin. 163 blutige, bepelzte Trophäen in 120 Kämpfen, durfte er in der letzten Saison sein eigen nennen. Das ist Platz eins in Spaniens Erfolgsstatistik.

Nein, Angst vor der wilden Tier sei ihm auch bei seinen ungewöhnlichen Einlagen fremd, bekundete Jesulin immer wieder in Fernsehinterviews, am liebsten auf dem Bett in irgendeinem der Hotelzimmer. Zwischen Starletts und Adel gewährten er so Einblick in eine Szene, die sich sonst eher abschottet. Der Stierkämpfer als distanzierter Einzelgänger – Jesulin ist anders: Der brave Bub aus dem Dorf, keine Frauengeschichten, Familiensinn – verhalf er doch durch seinen Ruhm der jüngeren Schwester zu einem Plattenvertrag –, Jesulin eroberte sich die Herzen eines bisher eher ungewöhnlichen Publikums: der Frauen.

Gleich mehrmals füllte er im Auftrag eines Privat–TVs die Ränge großer Arenen nur mit weiblichem Publikum. Der schöne Traumschwiegersohn und die Bestie. Es regnete Blumen, Taschentücher und selbst Unterhöschen und BHs.

„Jesulin tiene cojones“ – „Jesulin hat Eier“ –, mit dem höchsten Lob, das der Macho-Volksmund Spaniens für mutige Männer bereithält, beschrieben weiblichen Fans immer wieder die Fazination, die der junge Matador auf sie ausübt. Damit dürfte es jetzt wohl vorbei sein. Reiner Wandler