Durchs Dröhnland
: Wut rollen lassen

■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche

Wie in allen elektronischen Musiken wurde auch im Drum 'n' Bass ausgiebigst die Jazzgeschichte geplündert. Dabei ging es meist nur darum, ein paar hippe Sounds abzuzocken. Squarepusher alias Tom Jenkinson war wohl der erste, der weniger Klang als Struktur übernahm. Als gelernter Jazzrock- Bassist schichtet er nun seine Musik des öfteren scheinbar beziehungslos übereinander, brechen Beats ab, stolpern, verlieren sich im Nichts, während die dünnen Flächen darüber verzweifelt Halt suchen. „Ich spiele Tanzflächen in Sekundenschnelle leer“, hat Jenkinson über seine Arbeit als DJ gesagt. Live tritt er aber gerne auch schon mal mit dem Bass auf, was dann wieder Fusion-Befürchtungen weckt. Zum Tanzen gibt es trotzdem noch ausreichend Gelegenheit bei dieser Leistungsschau von Rephlex, des Labels von Richard James alias Medienliebling Aphex Twin. Dabei sind: Global Goon, DArcangelo, DMX Crew, Cylob, Mike Dred, Panacea, der Düstere aus Würzburg, und viele mehr. All sie verbindet allerdings kaum mehr als freundschaftliche oder vertragliche Bande mit dem Label, musikalisch ist keine Linie auszumachen.

19.9., 22 Uhr, Insel, Alt-Treptow 6

Der Komponist Stefan Veith hat aus dem Leben seines Katers Ludwig van Mau, der im Alter von 16 Jahren verstarb, eine Electro-Oper gemacht. Ständig wiederkehrendes Motive sind Schnurren und Maunzen des Tieres, noch „zu Lebzeiten aufgenommen“. Darum montierte Veith auf zwei CDs namens „Catman's World“ Ambient, Drum 'n' Bass und was die Elektronik-Trickkiste sonst noch zu bieten hat. Und als wenn die Katze noch nicht genug gewürdigt worden ist, wird ihr zu Ehren gelesen, werden Vorträge gehalten und Dias gezeigt und legen auch noch DJs auf: Higgins, Weel US, Defcon, Patrick Dechant, Andy Möller und Oh:Bee.

19.9., ab 22 Uhr, Roter Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

Unser alter Krautrock-Haudegen Lüül ist aktiv wie nie. Nach Jahren ohne musikalische Zwischenmeldungen hat er nun in kurzer Zeit mit seinem Salonorchester 17 Hippies veröffentlicht und gerade seine zweite Solo-Platte „Ahoi!“ herausgebracht. Die ist ihm um vieles leichter geraten als „Mond von Moabit“ aus dem letzten Jahr, fast schon sommerlich, mit freundlichem Gitarrengeklimper und ein bißchen HulaHula. Die Songs sind größtenteils in einem neun Monate währenden Urlaub entstanden, und so hört's sich auch an.

20.9., 20 Uhr, Casino Westhafen, Westhafenstraße 1

Neue Höhepunkte der Lieblichkeit erreichen die Einstürzenden Neubauten auf ihrer letzten Platte „Ende Neu“ – und tatsächlich sind sie nicht mehr die Kaputtmacher, als die sie immer noch gerne gehandelt werden. Nun waren die Mannen um Blixa Bargeld nach mehr als 16 Jahren Bandgeschichte in letzter Zeit auch verdientermaßen ruhiger geworden, aber diesmal ist auch die Grundstimmung so freundlich, daß man sich fast Sorgen machen muß. Selbst das um den Rhythmus von Motoren herumkonstruierte „NNNAAAMMM“ wirkt nicht mehr wie Industrial, sondern eher wie Go-Go oder eins jener Endlosfunkstücke von George Clinton. Ob Bargeld wohl noch Sepia-Risotto kocht? Wie damals mit Alfred Biolek, dem beim Blick in den Topf mit seinem tiefschwarzen Inhalt fast schlecht wurde, das aber vor laufenden TV-Kameras nicht sagen konnte?

20.9., 20 Uhr, Tempodrom, In den Zelten

Radio MultiKulti wird drei Jahre alt und feiert mit ganz vielen Menschen auf vielen Bühnen. Mit dabei sind u.a. die deutsch-türkische Rapperin Aziza-A, die Ethno-Reisenden Dissidenten und die Samba- Formation Amasonia.

20.9., ab 19 Uhr, Haus der Kulturen der Welt

Gunshot stammen zwar aus London, machten die 90er hindurch aber einen HipHop, den man sonst eher aus den Staaten erwartet hätte: Roh schleifende Beats, böse Texte, gesteigert bis fast zur Karikatur. Nach zwei Jahren Pause sind sie wieder da, es finden sich nun auch ein paar Ragga-Einflüsse, aber was den schleifenden Sound und die knarzigen Raps betrifft, haben ihnen längst Cypress Hill oder die Goats den Rang abgelaufen.

20.9., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224

Sarah Masen hört sich im ersten Moment an wie die nächste Singer/Songwriterin, die hübsche Melodien zu gefälliger Musik singt. Weil Plattenfirmen und Publikum auf der Suche nach der nächsten Cheryl Crow sind, hat auch die 21jährige aus Detroit gute Chancen, vor allem weil sie in den USA mit ihren den Herrn, seinen Sohn und den Heiligen Geist lobenden Texten auch noch die wachsende Fangemeinde christlicher Musik anspricht.

21.9., 21 Uhr, Huxleys Cantina, Hasenheide 108–114

Keine Zeit zum Verschnaufen lassen einem Rye Coalition, ihres Zeichens Ableger des New Yorker Hardcore-Adels. Ihr an den Nerven zerrender, vornehmlich mit fiesen Tönen arbeitender Postrock ist zwar nicht gerade zeitgemäß, läßt einen aber mal wieder hübsch ein paar negative Gefühle ausleben: Die Wut rollen lassen.

23.9., 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56,

Aus dem schweizerischen Thun kommen Amarillo Brillo, die trotz ihres dämlichen Bandnamens einen wunderhübschen Folkrock mit einem flockigen Akkordeon machen, wie ihn früher auch einmal M.Walking On The Water spielten, bevor sie zu melancholisch wurden.

25.9., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Eintritt frei Thomas Winkler