Mehr rechtsextreme Straftaten

■ Innensenator Schönbohm stellte im Verfassungsschutzausschuß Lagebericht zu Rechtsextremismus vor: Rechte Parteien verzeichnen leichten Mitgliederzuwachs

Rechtsextremistische Straftaten haben nach Angaben des Verfassungsschutzes im ersten Halbjahr dieses Jahres deutlich zugenommen. Während 1996 insgesamt 426 Straftaten registriert wurden, waren es bis Ende August 1997 bereits 397 Fälle. Es handelte sich überwiegend um Hakenkreuzschmierereien und die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Auch bei den rechtsextremistischen Gewalttaten ist die Tendenz steigend: Bis Ende August wurden 27 Taten registriert, 1996 waren es insgesamt 33 Gewalttaten.

Wie Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) gestern vor dem Verfassungsschutzausschuß erklärte, werden die rechtsextremistischen Straftaten vor allem von Skinheads begangen. Sie machten 138 der ermittelten 205 Tatverdächtigen aus. Dabei handle es sich zu 64 Prozent um Jugendliche und Heranwachsende. Dies veranlaßte die bündnisgrüne Abgeordnete Renate Künast zu der Forderung, daß hier vor allem Jugendarbeit gefragt sei. Zumal diese Jugendlichen nur selten in rechtsextremistischen Gruppierungen organisiert seien.

Wie aus dem Lagebericht des Verfassungsschutzes weiter hervorgeht, verzeichnen die rechtsextremistischen Parteien NPD und „Republikaner“ einen leichten Mitgliederzuwachs. Der NPD- Landesverband wuchs von 80 Mitgliedern (1996) auf derzeit 130. Die Partei nehme hierbei den Zulauf von Neonazis in Kauf. Der Landesverband der „Republikaner“ hat nach einem Zuwachs von 50 Mitgliedern derzeit 850 Anhänger. Während der Zustand der „Republikaner“ wegen inhaltlicher Streitigkeiten als desolat eingeschätzt wird, befände sich die NPD in einer Konsolidierungsphase.

Demgegenüber ist die Mitgliederzahl der neonazionalsozialistischen Gruppierungen rückläufig. Aufgrund der zahlreichen Vereins- und Versammlungsverbote organisieren sich Rechtsextreme zunehmend in losen Netzwerken wie unabhängigen Kameradschaften. Derzeit seien elf Kameradschaften mit etwa 120 Angehörigen aktiv. Bei ihnen handle es sich „eher um Stammtischorganisationen“, so Schönbohm. Allerdings trat die Kameradschaft Beusselkiez im Offenen Kanal mit der Sendung „Radio Germania“ in Erscheinung. Nachdem die Medienanstalt im Januar 1997 ein Sendeverbot erteilte, folgte im August die Sendung „Radio Z“. Presserechtlich verantwortlich zeichnete ein Mitglied der neonazistischen Kameradschaft Treptow. Wegen jugendgefährdender Wirkung wurde „Radio Z“ ebenfalls verboten.

Verfassungsschutzchef Eduard Vermander wies darauf hin, daß auch die Organisatoren von Skinheadkonzerten zunehmend versuchten, Verbote zu umgehen, indem sie diese in Diskotheken veranstalteten. In diesem Jahr hätten erstmals wieder zwei größere Skinheadkonzerte in Treptow und Hohenschönhausen stattgefunden, die 800 bzw. 200 Skinheads besucht hätten. Die Konzerte hätten integrierende Wirkung. Dorothee Winden