Pogo-Partei

Frag ich mein' Stammkunden, den Herr Studienrat Arnold: „Na, Herr Studienrat, wo machen Sie denn Ihr Kreuz bei de nächste Wahl?“Wie er mich da über seine Lesebrille weg angeguckt hat! „Tja“, sagt er denn, „bisher habe ich jedesmal, seitdem ich wählen darf, mein Kreuzchen bei der SPD gemacht, ich bin ja auch Mitglied der GEW, aber seitdem die Stundenerhöhung für ältere Lehrer beschlossen worden ist ... dazu soll auch noch das Eintrittsalter für den Ruhestand auf das 63. Lebensjahr gelegt werden ... so etwas geht doch alles auf Kosten der Schüler, die sich zukünftig mit überarbeiteten und dementen Lehrern herumplagen müssen! Ich frage Sie: Wie will man da noch die geforderte Leistung ...“„Entschuldigen Sie“, unterbrech ich ihn, „ich wollte Sie doch bloß fragen, welche Partei Sie wähln.“Er lacht: „Diesmal habe ich eine Protestwahl vorgesehen.“„Also die CDU?“„Nein, nein, da gibt es doch kaum Unterschiede zu den Sozis, ich werde etwas ganz Ungewöhnliches ankreuzen, und zwar die APPD.“„Was ist denn das fürn Verein? Hab ich noch nie von gehört:“„Es ist die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands.“„Ach die, stand über die nicht was in' SPIEGEL? Die als einzige Programmpunkte: ,Saufen, saufen, jeden Tag nur saufen' und ,Arbeit ist Scheiße' habn? Und ihr Slogän ist: ,Asoziale an die Macht'?“„Genau die sind es“, nickt Studienrat Arnold. „Aber das kann ich mir überhaupt nicht von Ihn' vorstelln, daß Sie bei so ein' Haufen mitmachen. Allein von Ihrn' adretten Haarschnitt her mit Scheitel links und dazu Ihr korrekter grauer Anzug mit gedeckte Krawatte ...“„Das ist richtig. Außerdem bin ich wegen meines Magenleidens nahezu ein Abstinenzler, was den Alkoholkonsum betrifft.“„Und wieso wählen Sie denn diese Pogo-Tüpen?“„Ach“, sagt er, nimmt die Lesebrille ab und zwinkert verträumt, „manchmal bin ich schon mal, so gegen Abend, durchs Karo-Viertel geschlendert, durch den Schanzenpark, wo man dieses bunte Völkchen trifft, durch St. Gesorg, habe auch schon mit Menschen aus der Hafenstraße gesprochen, als sie damals noch in der Diskussion war ... und ab und zu ist mir schon mal der Gedanke gekommen: Vielleicht sind diese Menschen glücklicher als du mit deinen Korrekturen, eingezwängt ins Stundenplan-Korsett. Da gönne ich mir wenigstens diese Protestwahl ... Welche Möglichkeiten des Protests hat ein Beamter denn sonst noch?“Revierförster Noske hab ich auch gefragt, und er will auch – als Polizeibeamter, das muß man sich mal auffe Zunge zergehn lassen! – die Pogos wähln! „Der Druck der Asozialen, der Kleinkriminellen, der Rauschgiftabhängigen und ihrer Unterstützer auf das Stadtparlament muß so stark werden, daß der Senat gar nicht anders kann, als unser Personal aufzustocken.“Jungunternehmer Aschler wählt die APPD, weil er hofft, daß durch die seine Brauerei-Aktien inne Höhe schießen. Und Junglürikerin Nele Hütlein kreuzt de Pogos an, weil sie die ihr Programm für ne litterarische Innowazion hält. Jeder von meine Kunden hat seine spezielln Gründe für seine Protest-Wahl. Und was ist, wenn die APPD die absolute Mehrheit kriegt?