Nachbar gegen Nachbar

■ Schanzenviertel: Die BewohnerInnen streiten immer noch erbittert über Dealer

Aufgebracht fällt die junge Frau über eine andere her. „Warum finden Sie Dealer toll?“Die antwortet mit einer Gegenfrage: „Warum fühlen Sie sich durch Dealer gestört?“Kurzes Schweigen. Dann bricht der Sturm von neuem los.

Die BewohnerInnen des Schanzenviertels sind gespalten. Vorgestern abend sollte ein Laternenumzug durch die Straßen ziehen. Organisiert von der aus AnwohnerInnen und Gewerbetreibenden bestehenden „Initiative Susanne Bartels“, die eine „Schanze gegen Dealer“bauen möchte. Dieser „Ausgrenzung“stellen sich andere entgegen. Die Laternen müssen dem Flugblattregen weichen.

„Ihr glaubt, daß ihr in Abwesenheit der Dealer im Schanzenviertel ein sicheres, beglücktes Leben führen könntet?“fragt jemand und: „Sind Verkehr, Entfremdung und Einsamkeit weniger gefährlich? Ihr projiziert eure eigene gesellschaftliche Misere auf die anderen!“Applaus der Umstehenden. Derjenigen ohne Laternen.

Die mit Laternen sind empört. Zwei SPDler bringen es auf die Formel: „Autonome geben kriminellen Drogendealern politische Schützenhilfe und verhöhnen die Sorgen der Menschen.“Die so Angegriffenen halten dagegen, daß der Stadtteil nicht durch Dealer verelende.

Mit ihren Lösungsvorschlägen liegen die beiden Gruppen nicht einmal weit auseinander. Die Freigabe von Drogen, so der Konsens, könnte zumindest den offensichtlichen Stein des Anstoßes aus dem Weg räumen. Doch statt Forderungen an die Politik zu stellen, baut die „Initiative Susanne Bartels“eine „Schanze gegen Dealer“. Daß dort der Konsens endet, zeigt eine Lautsprecherdurchsage. „Wer nicht zur Initiative gehört, soll auf die andere Straßenseite kommen.“So steht man sich diesseits und jenseits der Straße gegenüber – als seien die jeweils anderen, und nicht die städtische Sozial- und Drogenpolitik, schuld an der aufgeheizten Situation. Elke Spanner