Geradliniger Minimalismus mit Punkfrisur

■ Ted Miltons „Blurt“im Römer / Dr. Blohm und Herr Voss waren auch da

Immer und wieder erschrickt die Öffentlichkeit, wenn die Kunst nicht in die Schublade will und die Jounallie sucht hilflos nach dem passenden Adjektiv. Kaum entzieht sich jemand der gängigen Instrumentierung, hagelt es haufenweise Jazz-Vorwürfe. Immerhin spielt Ted Milton verteufelt gut Saxophon und trägt auf der Bühne seltsame Anzüge, während Blurt gelangweilt Gitarre und Drums bedienen. Die bekannten und beliebten Kulturbeobachter Dr. Blohm und Herr Voss wohnten dem Schauspiel bei und ließen dafür sogar die Presse-Karten für Sabrina Settlur verfallen.

Herr Voss: Gut gefüllt ist nicht zu voll, und nichts als versierte Kenner in der Runde. Die sind wohl auch alle beruflich hier.

Dr.Blohm: Zumindest unserem Alter angemessener als die Schwester mit den abgehalfterten Rodgau Monotones als Begleitband. Voss, holen sie uns doch mal zwei adäquate Getränke zur Musik.

Herr Voss: Das ist ja richtig funky, Blohm!

Dr. Blohm: Groovy, Herr Voss, groovy. Geradliniger Minimalismus, ohne daß eine einzige Auslassung überflüssig wäre. Beachten sie das perfekte Zusammenspiel der einakkordigen Gitarre mit dem rumpeligen Schlagzeug. Da werden keine Breaks gespielt, sondern präzise in die Lücken eingehakt.

Herr Voss: Wie der Mann das Sax bringt, ausgesprochen mutig! Dilletantisch, aber mit Flair !

Dr. Blohm: Ich glaube, die Beurteilung entzieht sich ihrer Kompetenz. Moderne Kompositionen erfordern geistige Mitarbeit. Das geht natürlich nicht so leicht ins Ohr wie die Toten Hosen.

Herr Voss: Der jugendlichen Frisur nach zu urteilen scheint sich der Herr Milton aber den Punkern zuzuordnen.

Dr. Blohm: Punk ist etwas für Nostalgiker und Erstkonsumenten, sie Gimpel. Sie verwechseln die Eure Ästhetik mit dem Kern der Darbietung. Hier wird der Glaube an die klassische Rock-Instrumentierung gebrochen und hörbarer Genuß geboten, ohne auf die üblichen Genres reinzufallen.

Herr Voss: Dafür ist Milton mit dieser Nummer aber auch schon ein paar Jahre auf den Bühnen.

Dr. Blohm: Underground wird aber immer als solcher erkennbar sein. Diese Art von Sound wird sich niemals vermarkten lassen wie andere Fossilien der Achtziger. Dieser Mann ist ein Künstler und seine Improvisation kommt immer noch auf den Punkt. Hier bekommen Gitarren und minimale Elektronik gleichermaßen den Hintern voll.

Herr Voss: Was macht er den jetzt?

Dr. Blohm: Er liest einen Text . Social Slam Beat nennt man das.

Herr Voss: Ich verstehe kein Wort.

Dr. Blohm: Es kommt doch nur auf die Soundfarbe an.

Herr Voss: Ob's am Getränk liegt? Es wird plötzlich alles so schön bunt hier ...