Auf Du und Du mit dem Musical
: Ärger in Traumfabrik

■ Shakespeare & Rock–n–Roll-Flop hat für Roland Berger juristische Folgen - Staatsanwaltschaft ermittelt

In Berlin hat Roland Berger ein Verfahren wegen Konkursverschleppung und Hinterziehung von Krankenkassen- und Rentenversicherungsbeiträgen am Hals. Die Unabgeschlossenheit der Ermittlungen schränkt die Auskunftsfreudigkeit der dortigen Staatsanwaltschaft erheblich ein. Der Gerüchteeintopf aber blubbert: Achtstelliges Volumen. Harmlos nehmen sich demgegenüber die Ermittlungen der Polizei in Bremen aus: Hotelrechnungen von 60.000 Mark stehen offen. Und da bemüht sich Berger bereits um Schadensbegrenzung. „Wir gehen davon aus, daß unsere Ausstände beglichen werden,“sagt der Geschäftsführer eines der betroffenen Hotels. Die Stadthalle, die Raum und Ticketservice für Bergers Rock–n–Roll-Kabarett vermietet, baut nach wie vor auf „gütliche Einigung. Wir haben keinerlei Interesse zu verklagen“, meint Pressesprecher Hage. Wie hoch die Forderungen sind, sagt er vorsichtshalber nicht. Der Mann tut seinen Job, und der lautet, zu retten, was zu retten ist. Das letzte Privileg von Menschen im wirtschaftlichen Endkampf: sie werden geschont, denn Tote zahlen schlecht.

Jetzt also hat es Berger erwischt. Die Versuchung zur Schadenfreude ist groß: Ha, hat sich also doch die Kunst erfolgreich gewehrt gegen die Geschäftemacherei. Natürlich alles Quatsch.

Seit Jahren herrscht in der Musicalbranche Goldgräber-Stimmung. Riskante finanzielle Konstruktionen mit kompliziertesten Risikoverteilungen schießen in den Himmel ökonomischen Gewinns. Die extra fürs Musical errichtete „neue Flora“in Hamburg braucht 7 Jahre volles Haus zum Erklimmen der Gewinnzone. Entsprechend prädestiniert ist die Brache, über-mütige, selbstüberbewußte Visionäre anzuziehen wie Licht die Motten. Friedrich Kurz, einst Bergers Geschäftspartner, plante 1991 am Potsdamer Platz ein gigantisches „Kulturzentrum“, „eine Brücke zur Zukunft“, symbolträchtig „wie der Eiffelturm in Paris und die Freiheitsstatue in New York“. Es ist zu befürchten, daß man es hier nicht mit reinen Abzockern zu tun hat, sondern mit echten Überzeugungstätern. Und denen hängt eben oft ein eigentümlich verführerisches Charisma an.

Berger war tätig in einem schwer kalkulierbaren Geschäftsfeld. Er hatte Pech. Und er hat wie alle In-die-Enge-Getriebenen versucht, das Unglück durch weiteren Wagemut zu bannen, natürlich ohne Erfolg, wie jeder Roulettespieler weiß. Auch die Stadthallenbetreiber hatten einfach Pech. Fahren sie Business as usual, schimpft man sie Schlafmützen, wagen sie ohne zu gewinnen, geißelt man sie als blauäugig. Die Traumfabrik ist grausam. bk