„Pflicht zum Optimismus“

■ Aus den Reden Hattigs über das maritime Bremen, die Wirtschaft und der Welt

Der Präses der Handelskammer liebt die Rede und insbesondere die allgemeine. So sind seinen vielfältigen Äußerungen zur bremischen Politik, die er als Präses der Handelskammer tat, nur wenige wirklich konkret faßbare Festlegungen zu entnehmen. Journalisten erinnern sich gut an die Landespressekonferenz mit der gesamten Kammer-Spitze am 18. Dezember vergangenen Jahres. Ein Jahr große Koalition war herum, eine Bilanz gefragt. „Die Richtung der Senatspolitik stimmt, jedenfalls im Ganzen“, fomulierte Josef Hattig, und dann kam es: „Gemessen an den selbstgesetzten Zielvorgaben bedarf es aber einer deutlichen Erhöhung des Realisierungstempos.“Was er wie damit meinte? Keine journalistische Fragekunst vermochte das damals aus dem Präses herauszulocken.

In seinem schriftlich vorbereiteten Jahresrückblick hatte Hattig Zahlenspiele, die in der Finanzbehörde erarbeitet worden waren, aufgegriffen: Wenn das Land Bremen wenigstens ein Drittel der regelmäßigen jährlichen Haushaltslücke durch zusätzliche Einnahmen ab dem Jahre 2007 decken wollte, müßten bis dahin insgesamt 40.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden und – was im Länderfinanzausgleich viel mehr zählt – 55.000 zusätzliche Einwohner angelockt werden. Auf die bohrende Frage, ob und wie er das für erreichbar halte und was der Wirtschaftssenator tun müsse, damit diese Ziele erreicht werden, antwortete Hattig, die Zielzahlen stellten „hohe Anforderungen an das Machbare“, es handele sich „aus heutiger Sicht“eher um einen „Wunsch“. Richtig konkret war Hattig geworden, als im Frühjahr 1996 der Vulkan zusammenkrachte. „Maritimes Handeln bildet seit je das Rückrat der wirtschaftlichen Existenz des Landes Bremen“, behauptete er da im Editorial der Handelskammer-Zeitschrift. „Die Handelskammer bekennt sich ausdrücklich zum Schiffbaustandort Bremen. Ohne Schiffbau hätte die Hansestadt eine andere Qualität, wäre Bremen nicht mehr Bremen.“(März 1996) Was also tun, aus damaliger Sicht? „Was jetzt vor allem not tut, ist, alle Kräfte zu bündeln und mit Selbstvertrauen, Entschlossenheit und Optimismus an die Arbeit zu gehen. Ein Alle-Manns-Manöver

Am Ende des Jahres 1996 war der Vulkan-Konkurs für Hattig ein Beispiel dafür, „wie verfehlte Subventionspolitik den Strukturwandel behindern kann“. Keine Rede also mehr von „Alle-Manns-Manöver“zur Rettung des maritimen Bremen, das ja die Politik und damit Subventionen gemeint hatte. Nur die aktuellen 600 Millionen Mark Subventionen des Jahres 1996, die wollte Hattig damals von der Kritik an den Versuchen „verfehlter Strukturpolitik“ausnehmen. Und formulierte einen Satz, der zur Rechtfertigung sozialdemokratischer Werften-Subvention aus 15 Jahren dienen könnte: „Daß die Regierung versucht, jeden Strohhalm zu ergreifen und zu retten, was zu retten ist, dafür habe ich Verständnis.“Zurück zum Optimismus, einem Stichwort, das Hattig nicht losläßt. Eine lange Rede vor der Januargesellschaft der Wittwen- und Statutenkasse der Handelskammer beentete er mit einer Reflexion über den Optimismus. „Wenn ich sage Optimismus ist Pflicht“, steht auf allerletzten Seite 22 des Manuskript von Hattig, „so schließt das nicht nur ein, daß die Zukunft offen ist, sondern auch, daß wir sie alle mitbestimmen durch das, was wir tun. Wir sind mitverantwortlich für das, was kommt. Vielen Dank.“In diesem wörtlichen popperschen Sinne hat Josef Hattig sich auch jetzt in die Pflicht nehmen lassen. K.W.