Erweiterung in Permanenz

Die Konstruktion und Dekonstruktion von Sound: Ein Besuch bei Submission, der einzigen echten Dub-Band, die Berlins Szene zu bieten hat  ■ Von Thomas Winkler

Durch die Kollwitzstraße scheinen ein paar schwächliche Sonnenstrahlen. Als hätte jemand den Sommer auseinandergenommen und nur einige wenige Teile einsam und isoliert stehen lassen. In dem Hinterhof steht – beinahe unwirklich – eine wie ausgetauscht riechende Luft. Hier wohnt in zwei kleinen Zimmern Paice, der Trommler von Submission, der vermutlich einzigen echten Dub- Band, die Deutschland zu bieten hat. „Letztlich“, sagt Paice, „ist Dub ein Konstruktionsprinzip.“ Ergänzt Keyboarder und Saxophonist Klaus: „Es geht um die Auslassungen und darum, anderes an anderen Stellen wieder einzusetzen.“

Solchermaßen konstruiert wird seit Sommer 1996 zusammen mit Bassist Mirco. Mal am Computer, aber öfter im Übungsraum mit den Instrumenten. Im Normalfall ausgehend von einer Songidee, „die dann dekonstruiert wird“. Wie das funktioniert, führen Submission auf ihrer ersten EP „Vol.1“ vor, deren Erscheinen im Selbstverlag heute gefeiert wird. Exemplarisch in „Lotta Dub“. Das basiert auf dem „einfach sehr guten“ Basslauf von Led Zeppelins „Whole Lotta Love“. Aus dem freien Umgang mit dem vorgegebenen Material entsteht etwas grundsätzlich Neues, auch wenn Paice den Track als „Spielerei“ einordnet.

Es ist ein Spiel, zwar kein Puzzle wie Drum 'n' Bass, aber ein Doktorspiel am Rhythmus, so wie auch im klassischen jamaikanischen Dub: Die verschiedenen Spuren eines bereits aufgenommenen Stücks, vor allem die rhythmischen Teile, werden zueinander in neue Beziehungen gesetzt, mal neu eingespielt, mal mit Hilfe der Studiotechnik anders abgemischt, mit Hall und Effekten versehen. Das Ergebnis hat manchmal kaum noch Ähnlichkeiten mit dem Ausgangspunkt. Auch Submission arbeiten teilweise am Computer, mußten aber feststellen, daß die besten Ergebnisse beim Jammen im Übungsraum entstanden. Die dort aufgenommenen Instrumentaltracks werden dann nachträglich noch mit Overdubs versehen und abgemischt. „Manchmal kommt einer mit einem völlig am Computer entworfenen Stück“, erzählt Klaus, „aber das ist so brutal, wie nach dem Taktstock zu spielen.“

Zwar unterscheidet sich das von Submission meist verwendete Dub-Prinzip aus Dekonstruktion und Neukonstruktion grundsätzlich von der reinen Konstruktion am Rechner, wie sie momentan in der elektronischen Musik betrieben wird. So großartig verschieden sind die Ergebnisse auf Platte trotzdem nicht. „Die Grenzen sind ja auch bei uns fließend“, meint Klaus, „das liegt in der Natur der Sache.“ Zwar beherrscht bei Submission meist ein entspannt tröpfelnder Off-Beat die Szenerie, aber schlußendlich geht es auch bei ihnen darum, Ebenen aus verschiedenen Beats übereinanderzulegen, und diese mit Partikeln zu erweitern: kleine Melodien, Gesangsfetzen, die typischen Dub-Geräusche. In letzter Zeit hat man den einen oder anderen Track auch in Richtung Drum 'n' Bass weiterentwickelt, ein Ende dieser Annäherung ist noch nicht in Sicht. Was am Ende daraus entsteht, ist eine Musik, die, oberflächlich gehört, wunderschön friedlich, fast monoton ist. Läßt man sich ein, läßt man sich sinken, beginnt es zu brodeln.

Paice und Klaus spielten bereits zusammen bei PNATSH, die, Ende der 80er vom Punkrock kommend, mit Reggae begannen, um wie logisch beim Dub zu landen. „Die ersten Reggae-Stücke, die ich gehört habe, waren die von Clash“, erzählt Paice. Mit dem Reggae ließ er sich die Dreadlocks wachsen, obwohl „ich die Rasta-Texte nie ertragen habe. Beim Dub war trotzdem der Groove, und man mußte sich den ganzen Sermon nicht anhören.“ Das Problem von PNATSH war, daß sie quasi als Nichtmusiker begannen und dann nie so recht aus der Experimentierphase herauskamen. „Irgendwann hatte sich dieser extreme Eklektizismus auch totgelaufen“, glaubt Klaus.

Nun sind sie Musiker und favorisieren im Gegensatz zu ihren ungleich berühmteren englischen Kollegen wie den Revolutionary Dub Warriors oder Dub Syndicate, die zum Großteil auf die Handarbeit bauen, die Arbeit der Sampler. „Lebendiger“ sei das, sagt Paice und: „Ich bin ja eher Traditionalist.“ Die Tradition aber hat ihren Preis. „Die Proben sind anstrengend“, hat Klaus beobachtet, „man muß sich sehr einlassen, auf andere eingehen.“ Denn sonst wird aus dem gemeinsamen Konstruieren schnell eine Kakophonie aus beziehungslos zueinander stehenden Elementen.

Trotzdem ist Submission als Band offen angelegt, Gäste sind jederzeit willkommen. Nachdem man sich vor kurzem vom Gitarristen getrennt hat, der noch die EP mit einspielte, versucht man gerade zwei neue Musiker in den Gruppenzusammenhang einzuarbeiten. Weil „die Leute die menschliche Stimme wollen“, hat man auch mit Toastern schon gearbeitet. Die durften dann bei Auftritten zwar nur drei, vier Stücke ran, aber Submission haben schnell festgestellt, daß sie dann nur noch als Begleitband durchgingen.

„Ich will Dub machen“, sagt Paice, „da ist ein Sänger nicht unbedingt nötig.“ Bis sie jemanden gefunden haben, der sich „assoziiert“ und mit einer weniger prominenten Rolle bescheidet, müssen sie live halt selbst ab und zu den Mund aufmachen. „Aber das Ziel ist, beides zu machen“, sagt Klaus, „mal mit Sänger, mal als reine Dub-Band. Es geht darum, einen eigenen Stil zu finden. Manche Stücke hören sich schon jetzt wieder durch die neuen Leute ganz anders an. Das ist für mich das Interessante beim Spielen.“

Submission: „Vol. 1“ (erhältlich in DeeRoyy Dub-Store, Brunnenstraße 6)

Record Release Party am 21.9., 21 Uhr, Roter Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte