An den Schulen spritzt kein Blut

■ Modellversuch an Schulen führt dort zu weniger Gewalt

Polizeioberkommissar Dieter Bergmann, beschäftigt beim LKA, Zentralstelle für Jugendsachen, verweist auf die Statistik: Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden der Polizei 168 gewaltsame Vorfälle an Schulen gemeldet, im ersten Halbjahr 1996 waren es 199, ein Rückgang von rund 16 Prozent. Die Senatsschulverwaltung verweist auf die zurückliegenden beiden Jahre: 1996 wurden 369, 1995 492 gewaltsame Vorfälle an den 1.100 Berliner Schulen registiert, ein Rückgang um 25 Prozent.

Bettina Schubert, beim Landesschulamt für Gewaltfragen zuständig, verweist auf die Zahl 480.000, so viele Kinder und Jugendliche lernen an Berlins Schulen, und bittet, die Schülerzahl in Relation zu den gewaltsamen Vorfällen zu setzen, „denn wenn man die Zeitung aufschlägt, denkt man, an den Schulen spritzt das Blut“.

Dem aber ist nicht so, wenngleich Polizeikommissar Bergmann, Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) wie auch die Gewaltbeauftragte Schubert wissen: es gibt eine Dunkelziffer, Vorfälle, von denen die SchulleiterInnen nichts wissen, nichts wissen wollen oder die sie nicht melden.

Anlaß der aktuellen Diskussion: In Niederschöneweide debattierten am Donnerstag abend Schüler, Eltern, Lehrer und Vertreter der Polizei über Gewalt an Schulen: Gestern wurde Bilanz des Modellversuchs „Konfliktbewältigung für Mädchen und Jungen“ gezogen, ein seit 1994 laufendes Gewaltpräventionsprojekt an 16 Grundschulen. Tenor der ersten Veranstaltung: Es gibt Probleme wie Erpressung von Zigaretten und Schlägereien auf Schulhöfen. Tenor der zweiten: Die Probleme sind in den Griff zu kriegen, wenn frühzeitig Präventionsarbeit geleistet wird. Schulsenatorin Stahmer über den Modellversuch: „Indem sich die Kinder in den Kursen spielerisch mit ihrem Rollenverständnis auseinandersetzten, wurde ein partnerschaftliches Verhältnis zu dem anderen Geschlecht aufgebaut.“

Denn zum einen rühren Konflikte daher, daß sich viele Jungs über- und viele Mädchen unterlegen fühlen, demzufolge Gewalttätigkeiten meist von Jungen ausgehen. Den Mädchen ein gesundes Selbstwertgefühl und eine gute Selbstwahrnehmung zu geben war ein Anliegen des Modellversuchs.

Zum anderen, so Bettina Schubert, resultiere die große Gewalt immer aus der kleinen. Verbale Beleidigungen enden in Schlägereien. „Kinder haben Schwächegefühle, man muß ihnen helfen, sich im Leben zurechtzufinden.“ Keinen Unterschied zwischen Ost- und Westschulen bezüglich der Gewalthäufigkeit hat Bettina Schubert ausgemacht, keinen zwischen Schulen in der Innenstadt und in den Randbezirken. Bemerkenswert aber sei, daß die meisten Vorfälle in der Sekundarstufe I (54 Prozent) passieren. „Die Halbwüchsigen wollen ihre Kräfte messen.“ Die Grundschulen liegen bei 38, und die Sekundarstufe II liegt bei 8 Prozent. Jens Rübsam