Hauch von Fußball im Weserstadion

■ Erstmals seit einem Jahr sah man bei Werders 2:1 gegen Dortmund wieder Kombinationen über drei, vier, fünf Stationen. Aber die Herrlichkeit dauerte nur 35 Minuten Von Gastautor Dieter Mützelburg

Nach zwei Minuten führte Werder Brenmen 1:0 gegen Borussia Dortmund. Jens Todt hatte einen von Herzog getretenen Freistoß ins Tor geköpft. Ein Hauch von Fußball lag über dem Weserstadion.

32.000 Zuschauer und elf Werder-Spieler spürten diesen Hauch. Sie atmeten kräftig durch. Der Hauch wurde kräftiger, löste eine Welle von Selbstbewußtsein aus. Es folgten 35 Minuten gut anzuschauender Fußball – wenigstens aus Sicht der Werder-Anhänger.

Kombinationen zwischen drei, vier, fünf Spielern sah man erstmals seit einem Jahr (da gewann Werder 3:0 gegen Bayern München). Doppelpässe gab es zu bestaunen, sogar Hackentricks von Labbadia und Herzog und zum Jubeln gab es noch eine Zugabe: Nach 22 Minuten traf Herzog, zuvor hatte Trares einen präzisen Paß über 35 Meter gespielt, zum 2:0 ins Dortmunder Tor.

Aus dem Hauch von Fußball war mittlerweile ein spannender und temporeicher Sturmlauf der Bremer Spieler geworden. Dortmund half allerdings kräftig mit. Offenbar hatten sie den Wechsel von den Höhen der Champions-League in die Abstiegszone der Bundesliga noch nicht überstanden. Sie spielten desorientiert oder vielmehr sie orientierten sich an ihrem 4:0-Sieg vom November 1996, als Werder ihnen widerstandslos das Toreschießen überlassen hatte. Insbesondere mit dem Namen Pfeiffenberger schienen sie nicht mehr als einen lustlosen Österreicher (sagte er nicht am Mittwoch „ für Werder will ich nicht mehr spielen?“) zu verbinden. Nun war es aber gerade Pfeiffenberger, der Werders Spiel in Schwung hielt. Sicher nicht nur zur Überraschung der Dortmunder.

Ehrlich, überrascht waren wir alle. Fans, Zuschauer, Berichterstatter. Nicht nur über das tolle Spiel des sonst eher lahmen Österreichers. Schon die Mannschaftsaufstellung des Dauer-Interim-Trainers Wolfgang Sidka hatte überrascht und allerlei Zweifel ausgelöst. Skripnik, der ukrainische Grätscher, für unseren Torschützen Marco Bode? Hany Ramzy nicht als Libero oder Manndecker sondern im Mittelfeld statt des lockeren Christian Brand? Und Havard Flo, das Zwei-Millionen-Mark-Mißverständnis aus Norwegen in der Sturmmitte?

Die meisten Überraschungen klärten sich schnell auf: Pfeiffenberger spielte offensiv und wechselte sich mit seinem Landsmann Herzog im zügigen Bälleverteilen ab. Skripnik und Ramzy spielten echte Verteidiger und ließen die Dortmunder Heinrich und Reinhardt nicht zum Flanken kommen. Nur Flo bleibt das Mißverständnis, das Dixie Dörner sich aufzuklären weigerte: Er kann weder mit dem Fuß noch mit dem Kopf einen Ball annehmen und sinnvoll weiterleiten – wenigstens nicht in der deutschen Bundesliga.

Leider reichte das Selbstvertrauen Werders nur bis zum 2:1 der Dortmunder durch Ricken (41. Minute). In der zweiten Halbzeit spielte Werder erst zaghaft, dann ängstlich und schließlich fast panisch. Alles näherte sich vertrauten Bildern. Der Gegner stürmt, die Abwehr schlägt weg, die Fehlpässe häufen sich, und die wenigen Chancen werden vergeben. Zum Sieg reichte es dennoch – vor allem, weil die Bremer konzentriert kämpften.

Werder zwischen Aufwärts und Routine. Die beiden Halbzeiten am Samstag zeigen noch nicht, wohin das Spiel führt. Sie zeigten nur, daß Werder 1997 Fußballspielen kann, zumindest, wenn der Gegner es zuläßt. Sie zeigten nicht, ob es auch auswärts zu mehr als gelegentlichen Unentschieden reicht.

Am kommenden Wochenende gegen Kaiserslautern und Rehagel zu verlieren, wäre zwar keine Sensation. Allerdings würde damit ein vertrautes Einmaleins aktiviert. Zuhause hui, auswärts pfui addiert gibt am Ende Platz acht, neun oder zehn und sicher kein neues Selbstbewußtsein.