Frau mit Kopftuch, träumend

■ Die Bulgaren „La Strada“beim Tanzfestival „Prisma 3“in Oldenburg

Eigenwilliges Theater hat sich die Kulturetage mit dem Festival „Prisma 3“ins Programm geschrieben. Daß das nicht immer nervenzehrend sein muß, bewies am Wochenende die bulgarische Truppe „La Strada“mit ihrem neuen Stück „Jam session“. Die deutsche Erstaufführung, ein Potpourri aus Tanz, Theater, bildender Kunst, Clownerie und Jazz, war eine Woche zuvor im Hamburger Thalia-Theater erstmals hierzulande zu sehen. Das Oldenburger Publikum reagierte sehr ausgelassen auf diese anarchische Performance, die zeitweise die Grenze zur Albernheit überschritt.

Der Jazz, das sind hier Antony Donchev am Piano, sein Bruder Georgy am Kontrabass und Stephan Kojuharov am Schlagzeug. Gemeinsam mit Schauspielern, Sängern und einer Malerin haben sie die vorprogrammierten Bahnen des sozialistischen Einheitskulturbetriebs verlassen, um mit einfachsten Mitteln die Kunst gegen den Strich zu bürsten. Eine papierbespannte Holzkonstruktion ist hier Kulisse, Leinwand, Interieur und Projektionsfläche in einem. Über eine Videoeinspielung nehmen wir Teil an den Produktionsweisen des ausgehenden Sozialismus: eine Frau mit blauem Kopftuch muckelt am Fließband vor sich hin, da ruckelt plötzlich ein kleines Auto unter ihren Händen durch, gefolgt von einer Gondel. Träume werden wach von der weiten westlichen Welt. Eine derwischartige Frau mit rollenden Augen outet sich in radebrechendem Englisch als diese Abtrünnige des realexistierenden Stumpfsinns und begleitet ihr früheres Ich durch eine frustrierende Odyssee: No Visum, heißt es an der Grenze, der Weg zurück in die Realität ist nun vom Traum versprerrt, und so landet sie mit anderen Verrückten in dieser Marmeladenwelt, denn das ist „Jam-Session“: eine fruchtig-bunte Bestandsaufnahme der ernüchternden Grenzschichten sich öffnender Kulturwelten. „La Strada“sparen nicht mit Selbstironie. „What a wonderfull world“, so zitiert Maya Novoselska stimmecht Louis Armstrong, und immer fällt diese Sehnsucht auf die Realität zurück. Ein trauriges Frauchen lutscht an ihrem Eis und blickt auf den angesammelten Abfall. „This are the memories of my life“– ein rührendes Bild, das die angestrebte westliche Konsumseligkeit als Verlust der Identität entlarvt. Das könnte man als den Tenor dieser Persiflage bezeichnen, die sich selbst – also die Kunst – stets wieder zum Gegenstand hat. Temporeich, irrwitzig und manchmal etwas an den Grenzen des Geschmacks. Die Entstehung der Improvisation – Grundlage der Darbietung – etwa wird als Produkt eines „Kulturkontaktes“erklärt. Das sind die Peitschenhiebe eines weißen Massa, die Maya Novoselska – vermittels Strumpfmaske als schwarze Frau kenntlich – zu Schmerzschreien treiben, die in einer stimmakrobatischen Performance münden. Na ja.

Das Können der Ensemblemitglieder aber rettete die Aufführung davor, in Klamauk abzugleiten, That's Jazz. mig